Gewinner Michael
Einmal “Hochzeitstag vergessen” kostet fünf Euro
Michael erfüllte sich in seinem Grundeinkommensjahr einen lang gehegten Traum: Er hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Als “Ablasshändler Bruder Ignatius” ist er seitdem auf Mittelaltermärkten unterwegs.
Bruder Ignatiuss Foto
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Ich habe das 239. Grundeinkommen gewonnen!

Ich erhielt von Januar 2019 bis Dezember 2019 ein Utopisches Grundeinkommen.

“Ohne Grundeinkommen hätt’s mich hier so nicht gegeben.”

Das sagt Michael, in eine eigens geschneiderte Mönchskutte gekleidet, auf einem handgefertigten Eichenholzstuhl sitzend. Er gehört zum festen Inventar von Michaels liebevoll ausgeschmücktem Marktstand – seinem “Kloster”, wie er es nennt und wie es auch in altertümlichen Lettern auf dem Stoffbanner über ihm steht.

Die Geschichte der Verwandlung von Michael zu Bruder Ignatius nahm ihren Anfang in dem kleinen, sächsischen Dorf Ablaß, in dem Michael aufwuchs. Der Ortsname wurde unerwartet zu seiner Mission. Michaels Vater hatte für die 700-Jahr-Feier des Dorfes eine gewitzte Idee: “Mensch Micha, reden kannste, woll’n we Ablassbriefe verkofen?”

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Michael probierte die Rolle des Ablasshändlers beim Dorfjubiläum aus. Sie gefiel ihm so gut, dass er sie einfach weiter spielte, wann immer es ging. Vor allem auf mittelalterlichen Märkten und Festivals. Ein passender Name für seine Kunstfigur war auch schnell gefunden: Bruder Ignatius.

Michaels langjährige Arbeit als Kindergärtner brannte ihn ziemlich aus. Am liebsten hätte er sie schon früher gekündigt. Aber allein vom Ablassbriefhandel leben? Das Risiko war Michael zu hoch. Er hat drei Kinder, hatte „verdammt Schiss“ vor der Unsicherheit einer Selbstständigkeit. Dann gewann er Anfang vergangenen Jahres sein Grundeinkommen. Nur Monate später gab er seinen sicheren Job im Kindergarten auf, wagte doch den Schritt in die Selbstständigkeit.

"Die Sorge, dass ich Geld verdienen muss, war einfach weg – das ist stark! Mit dem Grundeinkommen bin ich viel freier im Spiel, im Ausprobieren, um eine Form zu finden, die dann auch wirklich passt."

Viele Besucher*innen des Bochumer Weihnachtsmarktes, auf dem Bruder Ignatius den letzten Monat seines Grundeinkommensjahres verbringt, bleiben vor seinem Kloster stehen und lachen laut auf, wenn sie die Formulierungen auf den Ablassbriefen lesen. Da gibt es welche für “Faulenzen”, “Bad blockieren” oder “Realitätsverweigerung” - auch selbst benannte Sünden besiegelt Michael auf verziertem Büttenpapier.

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Man kann sich bei Bruder Ignatius nicht nur von seinen kleinen Alltagssünden freikaufen. Er schließt auch Ehen – aber nur für 24 Stunden. Das Brautpaar nimmt auf den Eichenstühlen Platz, die sein Bruder ihm als Hochzeitsgeschenk gezimmert hat. Michael stellt sich an seine kleine, natürlich selbstgebaute, Kanzel und hält eine auf das Hochzeitspaar abgestimmte Predigt. Traditionsgemäß wird ein Brautstrauß geworfen – allerdings ein Vogelstrauß aus Stoff.

Wenn der Markt vorbei ist, ist Michael froh, seinen schwarzen Herrenhut aufzusetzen und wieder in der Alltagswelt zu sein. Mittelalter kann eben auch anstregend sein. Gibt es etwas, dass Michael gerne aus dieser Epoche in die Gegenwart teleportieren will? Der sonst so Redegewandte stutzt einen Augenblick, muss überlegen. Dann fällt ihm doch eine Antwort ein: “Sagen wir mal so, was ich ins 21. Jahrhundert mitnehmen würde, wär‘ das Achten auf Kleinigkeiten und auf Gegenseitigkeiten.“

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Das Grundeinkommen hilft Michael, diese Achtsamkeit auch ganz ohne Science Fiction in der Gegenwart zu leben. Als Bruder Ignatius kommt er mit vielen Menschen ins Gespräch, nimmt sich Zeit. Auch eine Umarmung hin und wieder bleibt da nicht aus.

Sein Kloster richtet Micha liebevoll ein. Dank des Grundeinkommens kann er dabei aufs Detail achten. Mal etwas mehr Geld ausgeben. Gerade hat er eine LED-Lampe für die kleine Laterne gekauft, die ihm beim Schreiben der Ablassbriefe Licht spendet. Nachhaltiger ist die obendrein, auch ein wichtiger Aspekt für Michael.

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Andere sollen von seinem Gewinn genauso etwas haben wie er selbst. Wenn Michael abgeben kann, dann tut er es auch. Er spendet an die Flüchtlingshilfe, für eine verfolgte Frau in Armenien und Obdachlose.

Ein wenig von seinem Grundeinkommen hat Michael gespart. Auch für Einfälle, die er erst noch erproben will. “Ideen muss man nicht nur haben, sondern auch machen.” Vielleicht, verrät er zum Abschied, wird es im Kloster bald einen Ballett tanzenden Mönch geben.

Text: Malina Günzel | Fotos: Cora Trinkaus

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Mit Grundeinkommen würde ich…