Was ist eigentlich in der globalen Grundeinkommens-Bewegung los? Die Schweiz hat abgestimmt, in Deutschland sammeln wir das 50. Grundeinkommen zusammen und in zahlreichen Ländern werden derzeit Pilotprojekte ins Leben gerufen. Amira von Mein Grundeinkommen ist nach Seoul (Südkorea) geflogen und hat sich dort zu aktuellen Entwicklungen schlau gemacht. In diesem Interview erfahrt ihr, was sich in der Welt des Grundeinkommens gerade alles tut.
Worum ging es bei der Konferenz? Was ist das BIEN?
Amira: BIEN ist das Weltnetzwerk Grundeinkommen, das alle Netzwerke, die es in den unterschiedlichsten Ländern gibt, überdacht. Einmal im Jahr veranstaltet eines dieser Netzwerke die Mitgliederversammlung, die auch einen Kongress umfasst, bei dem die aktuellsten Forschungsergebnisse und Projekte präsentiert werden. Neben uns wurde diesmal zum Beispiel auch Che von der Initiative Grundeinkommen aus der Schweiz eingeladen, die für die Abstimmung verantwortlich ist.
Was waren die wichtigsten und spannendsten Themen die besprochen wurden?
Amira: Natürlich wurde neben der Schweizer Abstimmung auch viel über die anstehenden Pilotprojekte in Nordeuropa aber auch den USA und Kenia gesprochen. Dazu gab es auch viele kritische Stimmen, die darauf hingewiesen haben, dass solche Experimente viele Limitierungen haben und dadurch auch einen negativen Einfluss auf die nationalen Debatten haben können. Das fand ich sehr spannend.
Warum ist für Mein Grundeinkommen die internationale Vernetzung so wichtig?
Amira: Für uns ist es sehr wichtig den Anschluss nich zu verlieren. International wird viel zum Thema Grundeinkommen geforscht und gearbeitet und je mehr wir über diese anderen Akteure und deren Ergebnisse wissen, desto eher können wir gegenseitig voneinander profitieren und auch Doppelungen vermeiden. Wir sind weltweit das einzige Projekt, das tatsächlich Grundeinkommen außerhalb eines klassischen Pilotprojekts vergibt. Für uns ist es deshalb auch spannend, weil wir Menschen kennenlernen, die Lust darauf haben unsere Idee in ihr eigenes Land zu bringen. So bereits geschehen in der Schweiz, den Niederlandenund den USA.
Wie ist die Wahrnehmung von Mein Grundeinkommen in der internationalen BGE-Szene?
Amira: Wir werden als Pioniere wahrgenommen und dafür sehr geschätzt. Allerdings sind besonders die Akademiker*innen nicht überzeugt von dem Mehrwert für die internationale “Bewegung” zum Grundeinkommen, weil wir weder robuste statistische Daten, noch neue Forschungsergebnisse liefern. Dennoch schätzen sie unsere Kampagne dafür, dass sie Menschen auf eine sehr positive Art und Weise mit dem Thema in Berührung bringt, auch durch unsere große internationale Medienpräsenz.
Unterscheidet sich die Grundeinkommensbewegung in anderen Ländern von der in Deutschland? Hast du interessante Unterschiede im Denken und Handeln wahrgenommen?
Amira: Erstaunlicherweise nicht. Was mich am meisten beeindruckt hat, ist, dass die Aktivist*innen in Südamerika, Asien, Afrika und Europa aufgrund der gleichen Beweggründe an das Grundeinkommen glauben. Die Probleme sind überall die Gleichen: ungleiche Verteilung von Wohlstand, fehlende politische Mitbestimmung, Verarmung der Gesellschaft und der Wunsch nach einer Alternative zum ausbeuterischen Wirtschaftssystem. Die Ansätze hingegen variieren zwischen Lobbyarbeit, Referenden, Pilotprojekten, akademischer Forschung und Kampagnen, wie der unseren.
Du bist ja nun schon länger auch international sehr vernetzt in der Szene, hast du das Gefühl es bewegt sich was in der Debatte und es geht voran, verändert sich was?
Amira: Auf jeden Fall. Schon dass aktuell in 5 Ländern gleichzeitig an Pilotprojekten gearbeitet wird und das teilweise sogar von höchster politischer Ebene aus, ist eine unglaubliche Entwicklung. Auch die Abstimmung in der Schweiz war ein großer Erfolg für die internationale Bewegung. Treffen, wie das in Seoul, sind eine wunderbare Möglichkeit, um sich nicht aus den Augen zu verlieren und zu vergegenwärtigen, dass wir alle an einem Strang ziehen. Es ist immer wieder ein sehr erhebendes Gefühl und eine große Motivation nach solchen Veranstaltungen wieder ins Büro zu kommen und daran erinnert zu werden, dass auch wir einen wichtigen Beitrag zu all dem leisten.
Was waren deine interessantesten Begegnungen bzw. Gespräche bzw. Eindrücke?
Amira: Für mich war es sehr spannend den Vater der Bolsa Familia in Brasilien, Eduardo Suplicy, und den belgischen Philosophen und Mitgründer vom BIEN Netzwerk, Philippe Van Parijs persönlich kennen zu lernen. Außerdem war es toll speziell japanische und südkoreanische Aktivist*innen und Forscher*innen zu treffen und zu sehen, dass wir sehr viele Gemeinsamkeiten haben.
Was hast du von der Konferenz für die Arbeit bei Mein Grundeinkommen mitgenommen?
Amira: Ich habe mitgenommen, dass wir auf dem richtigen Weg sind aber vielleicht doch langsam auch über den nächsten Schritt nachdenken sollten. Wie auch immer der aussieht, wir haben viele internationale Unterstützer*innen und werden sicher auch weiterhin an unserem Ziel arbeiten können, nämlich Grundeinkommen einzuführen. Es gibt noch einiges zu tun :)