Wie wir zusammenarbeiten
Eines unserer Argumente für die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens ist, dass es auf mehreren Ebenen die Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft verschieben kann. Stellt euch beispielsweise mal vor, wir könnten jederzeit kündigen, weil wir auf unsere Jobs finanziell nicht angewiesen und durch das Grundeinkommen abgesichert wären!
Dann müssten Arbeitsplätze so organisiert und gestaltet sein, dass sie uns mehr bieten als nur eine Bezahlung: Sie müssten uns z.B. Spaß machen und unser Leben mit Sinn bereichern. Wir müssten uns wohl fühlen und mitbestimmen dürfen. Und das würde dann die Macht von Arbeitgeber*in zu Arbeitnehmer*in und von Chef*in zu Mitarbeiter*in verschieben. Und das ist nur einer von ganz vielen Effekten, die vorstellbar sind.
Aber Moment mal!
Geht das nicht jetzt schon?
Klar, das Grundeinkommen könnte (materielle) Realitäten schaffen, an denen man nicht mehr vorbei käme. Aber einen Arbeitsplatz so zu gestalten, dass er Sinn macht und Freude bereitet und an dem man mitbestimmen kann - das geht auch ohne Grundeinkommen! Und wir wären nicht Mein Grundeinkommen, wenn wir nicht versuchen würden das zu leben, was wir uns für alle wünschen.
Erkenntnisse aus unseren Teamtagen
Die meisten Menschen geben irgendwann in ihrem Leben in einer Bewerbung an, dass sie ‘teamfähig’ sind, ‘gerne im Team arbeiten’ oder über tolle ‘Erfahrungen im Teamwork’ verfügen. Aber was bedeutet es eigentlich in einem Team zu arbeiten und wie organisiert man so ein Team? Dass alle unterschiedliche Talente, Fähigkeiten, Erwartungen, Wünsche, Bedürfnisse, Privatleben und Prioritäten mitbringen, ist schon eine eigene Herausforderung. Und dann noch auf Machtverhältnisse, Lebensqualität, Spaß an der Arbeit, eine gute Stimmung und Zusammenarbeit, aber eben auch den Projekterfolg und das Vorankommen zu achten…und DAS auch noch bei einem begrenzten Budget?
Wie kann das überhaupt gehen? Ja, wie machen wir das eigentlich?
Ein Mittel, das wir nutzen, sind regelmäßige Teamtage. Weil wir uns selbst noch so darüber freuen, was dabei bisher herausgekommen ist, möchten wir hier gerne sechs Prinzipien und Instrumente mit euch teilen, nach denen wir zusammenarbeiten:
1. Das Ziel im Blick behalten
Wir wollen Grundeinkommen zum Anfassen. Wir wollen, dass so viele Menschen wie möglich die Erfahrung machen können, ein Grundeinkommen zu erhalten. Und wir wollen darüber Geschichten erzählen, damit noch viel mehr Leute anfangen darüber nachzudenken, wie ein Leben und wie eine Gesellschaft mit Grundeinkommen aussehen könnte. Um das möglich zu machen, müssen wir als Team gut funktionieren und uns wohl fühlen. So können wir unsere gesamte Kreativität aktivieren. Das heißt aber auch, dass Teamwork kein Selbstzweck ist. Nein: Zehntausende Menschen haben ihr Vertrauen in uns gesetzt und unterstützen unser Projekt. Wir haben eine Mission! Alles was wir tun, leiten wir aus dieser Mission ab.
2. Reflexion von Machtverhältnissen
Wir haben keine*n klassische*n Chef*in, welche*r die alleinige Entscheidungsmacht hat. Das ist cool, weil wir alle irgendwie mitbestimmen können. Und das ist total schwierig, weil es natürlich immer Menschen gibt, die in bestimmten Bereichen kompetenter sind oder mehr Verantwortung tragen oder die über mehr Informationen verfügen als andere. Manchmal ist es auch so, dass Menschen glaubwürdiger oder machtvoller erscheinen, weil sie z.B. Männer oder älter oder formal höher gebildet sind. Auch wir bleiben von diesen fest verankerten gesellschaftlichen Machtstrukturen nicht unberührt. Um immer wieder sicherzustellen, dass trotzdem die Hierarchie flach bleibt, haben wir beschlossen, regelmäßig diese Machtverhältnisse zu reflektieren. Außerdem wollen wir alle zusammen Mitarbeiter*innengespräche führen. Dabei sollen sich alle gegenseitig Feedback geben und alle eins bekommen. Diejenigen, die ‘kleinere’ Rollen haben genauso wie diejenigen, die etwas mehr Macht haben.
3. Ganz Mensch sein
Jede*r von uns hat auch ein Privatleben, eine Geschichte und eine Persönlichkeit, die uns, unsere Arbeit und unsere Leistungsfähigkeit beinflussen. Das zu ignorieren, ist unserer Ansicht nach nicht hilfreich. Lieber geben wir den Themen, die uns stark beschäftigen, einen angemessenen Raum und gehen offen miteinander und unseren Bedürfnissen um. Denn wir sind alle Menschen und wollen menschlich und rücksichtsvoll zusammenarbeiten.
4. Transparente gemeinsame Gehaltsverhandlungen
Ein interessanter Punkt ist unsere Gehaltsstruktur. Bisher wurden Gehälter nach dem Bedarfsprinzip gezahlt. Das heißt neue Mitarbeiter*innen wurden gefragt: Wie viel Geld brauchst du monatlich, um den Kopf frei zu haben? Allerdings hat auch die Organisation Mein Grundeinkommen Bedürfnisse. Das heißt: Ein Budget. Deshalb wird gemeinsam und transparent besprochen wie viel Geld jede*r benötigt, wie viel Geld da ist und wie darüber entschieden wird, wer wie viel bekommt. Die Gehälter sind nicht für immer fix: Erhöht oder verringert sich der Bedarf oder verändert sich das Projektbudget stark, wird neu besprochen. Es wird gemeinsam entschieden und es gibt keine Person, die alleine über das Gehalt eines anderen Teammitglieds entscheiden darf. Eine spezielle Regelung ist unserer “Patriarchatausgleich”: Da manche unserer weiblichen Mitarbeiterinnen*ihren Bedarf zuerst niedriger angegeben hatten als die männlichen, können sie nochmal ca. 15% auf ihr genanntes Gehalt draufschlagen.
5. Vertrauen
Wie ihr merkt, basiert unsere Zusammenarbeit auf richtig viel Vertrauen. Deshalb können auch Krankheitstage ohne Attest genommen werden. Und Urlaubstage nach Bedarf. Wir achten gegenseitig darauf, dass jede*r ausreichend Urlaub nimmt und sich erholen kann. Vertrauen heißt auch davon auszugehen, dass die Kolleg*innen ihr Bestes geben.
6. Immer dazu lernen
Wie wir zusammenarbeiten, ist nicht in Stein gemeißelt. Mein Grundeinkommen ist jetzt ein bisschen älter als ein Jahr und entwickelt sich stetig weiter. Mit jedem Versuch, mit jeder Idee lernen wir dazu. Wir haben hohe Ansprüche an unser Projekt und an uns selbst, denen wir oft gerecht werden können, aber manchmal auch nicht. Deshalb ist es für uns wichtig, regelmäßig Momente einzuplanen, in denen wir darüber diskutieren, was gut läuft und was nicht. Und wie man es besser machen kann. Das setzt natürlich Bereitschaft zu stetigem Weiterlernen und zu Veränderung voraus. Aber auch Offenheit, wenn wieder jemand vorschlägt: “Lass es uns doch mal so machen!” oder “Lasst es uns einfach mal ausprobieren!”
Unsere Teamtage beflügeln uns immer enorm und geben uns Kraft für unsere Arbeit. Und wir sind selbst ein bisschen überrascht, wie konsequent wir unsere Werte in unserer täglichen Arbeit leben. Mit neuer Energie und einem immer besseren Teamgefühl arbeiten wir nun schon wieder an neuen Projekten :)