Jannes verlost bei uns regelmäßig Grundeinkommen – auch an Kinder. Brauchen die das eigentlich? Jannes hat dazu eine klare Meinung: Ja! Das Plädoyer eines werdenden Vaters für ein Grundeinkommen gegen Kinderarmut.
Seit zwei Jahren organisiere ich jetzt die Verlosungen bei Mein Grundeinkommen. Immer wieder wird mir seitdem diese eine Frage gestellt: Ich finde das Grundeinkommen ja gut, aber sollten es wirklich auch Kinder bekommen?
Ja, antworte ich, natürlich! Ein echtes Grundeinkommen ist nur ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Bedingungslos heißt für alle und damit auch für Kinder.
Aber ganz so einfach ist es scheinbar nicht. Selbst einige starke Befürworter*innen scheinen eine Bedingung an das Bedingungslose Grundeinkommen zu stellen: Kinder sollen es nicht bekommen. Aber wieso eigentlich nicht?
Heißt das im Umkehrschluss, dass Menschen, die am Existenzminimum leben, keine Kinder bekommen sollten? Oder im Zweifel in Kauf nehmen müssten, dass ihre Kinder in Armut aufwachsen? Geht’s noch?!
Ein prominentes Argument: Arme Eltern kümmerten sich schlechter um ihre Kinder oder bekämen sogar mit Absicht viele Kinder, um viel Grundeinkommen zu erhalten. Stopp.
Häufig ist es doch genau anders herum: Weil Menschen Kinder bekommen, leben sie plötzlich am Existenzminimum. Vielen Eltern wird das Leben schwer gemacht. Besonders denen, die sich – wie übrigens die meisten Eltern – für ihre Kinder aufopfern, aber nicht genug haben, um über die Runden zu kommen.
Niedrige Löhne machen es oft undenkbar, den Lebensunterhalt einer Familie komplett aus dem eigenen Erwerbseinkommen zu finanzieren. Hartz IV stockt vor allem auf. Aber eben nur bis knapp über oder sogar unter das Existenzminimum. Das macht es extrem schwierig, aus dieser Abhängigkeitsspirale herauszukommen.
Das gilt besonders für Kinder. In Deutschland dauert es laut einer OECD-Studie bei einkommensschwachen Familien sechs Generationen, bis jemand endlich das Durchschnittseinkommen erzielt. Freuen können sich dann die Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel*innen.
Wer schreibt hier? Jannes ist 26 Jahre alt und organisiert die Verlosungen bei Mein Grundeinkommen. Er freut sich nicht nur immer ganz besonders, wenn ein Kind Grundeinkommen gewinnt, sondern wird bald selbst zum ersten Mal Vater. Chancengerechtigkeit für Kinder ist ihm eine Herzensangelegenheit: "Schließlich sind Kinder unsere Zukunft."
Fast zwei Millionen Kinder leben in Deutschland in Bedarfsgemeinschaften und damit von Hartz IV. Dabei kann kein Kind etwas für die Lebenssituation der Eltern. Für ein zehnjähriges Kind sind pro Tag 4,09 Euro für Essen und Trinken vorgesehen und monatlich 2,68 Euro für Bücher. Viele Dinge des alltäglichen Lebens, die für Gleichaltrige normal sind, können Eltern, die Hartz IV beziehen, ihren Kindern nicht bieten.
Das fängt beim Kinobesuch an, betrifft aber eben auch Gesundheit und Bildung. Letztere ist bekanntlich einer der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe und erfolgreichen Berufslaufbahn. Und der Zugang zur Bildung wird durch Hartz IV systematisch behindert.
Darüber hinaus wird es Kindern in Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften besonders schwer gemacht, aus dem System auszubrechen. Möchten sie mit 16 Jahren eigenes Geld dazuverdienen, werden ihnen von den 450 Euro Lohn eines Minijobs 350 Euro abgezogen, nur 100 Euro bleiben ihnen. Minijobs sind für alle steuerfrei, außer für Kinder, die von Hartz IV abhängig sind. Sie zahlen einen Spitzensteuersatz von fast 80 Prozent. Und das nur, weil sie in einer Bedarfsgemeinschaft leben?
Hartz IV stigmatisiert – was können Kinder dafür?
Es gibt noch ein großes Problem: Viele Menschen, die berechtigt wären, Sozialleistungen zu erhalten, beantragen sie nicht. Neben dem Mangel an Informationen und abschreckenden bürokratischen Hürden gibt es einen entscheidenden Faktor: die Angst vor Stigmatisierung.
Diese Angst ist berechtigt. Je länger die Abhängigkeit von Hartz IV andauert, desto prägender sind die Erfahrungen mit Mangel und Existenzangst auf der einen Seite sowie fehlender Anerkennung auf der anderen. Viele meiden den Austausch mit Menschen, die Arbeit oder ausreichend Geld haben, weil sie nicht wollen, dass das Gespräch auf ihre eigene Situation kommt.
In der öffentlichen Wahrnehmung sind die Betroffenen nämlich meist selbst Schuld an ihrer Armut. So isolieren sich von Armut betroffene Menschen immer weiter, was wiederum die gesellschaftliche Stigmatisierung befördert.
Gerade Kinder sind davon in besonderem Maße betroffen. Zur faktischen Benachteiligung, sich keinen Nachhilfeunterricht leisten zu können, kommt bei ihnen das Gefühl der Scham. Es soll schließlich niemand herausfinden, dass man arm ist und Klamotten vom Discounter trägt.
Die damit verbundene Stigmatisierung zeigt sich oft durch Reaktionen von Lehrer*innen oder sogar Mitschüler*innen, die den betroffenen Kindern signalisieren, sie seien für das Gymnasium nicht gut genug – obwohl ihre Noten es sind.
Die logischste Lösung für Chancengerechtigkeit
Es kann nicht sein, dass in einem so reichen Land wie Deutschland Kinder in Armut aufwachsen müssen. Und ihnen mit dem Hartz-IV-Stempel gleichzeitig systematisch die Chance verwehrt wird, ihrer Armut zu entkommen.
Auch Kinder haben ein Recht auf Würde. Wir haben kein Recht, sie ihnen zu nehmen. Allein darum brauchen wir ein Grundeinkommen gerade für Kinder.
Natürlich braucht es immer staatliche und zivilgesellschaftliche Hilfen für überforderte Eltern und vernachlässigte Kinder. Das Grundeinkommen allein wäre keine Rettung für jedes Kind. Aber es ist das Einfachste und Logischste, was wir machen können, um Chancengerechtigkeit zwischen Kindern und Familien herzustellen.
Außerdem ist das Grundeinkommen mehr als ein gutes Mittel gegen Kinderarmut. Es macht es Eltern leichter, gute Eltern zu sein – und Kindern leichter, Kind zu sein. Es erkennt Kinder als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft an, die ein Recht auf gute Bildung und Teilhabe am öffentlichen Leben haben.
Genau deshalb bin ich es jedes Mal aufs Neue überglücklich, wenn ein Kind ein Grundeinkommen gewinnt.