Von insgesamt fast 800 Grundeinkommen gingen bisher 30 an Gewinner*innen im Ausland. Wir haben fünf von ihnen gefragt, wie das Grundeinkommen ihren Alltag im Elsass, in Athen, Thessaloniki und Las Palmas verändert.
“Die Menschen können sich ein Grundeinkommen hier nicht vorstellen”
Petro (34) aus Athen, Griechenland
Ich habe mit meinem Bruder Costa zusammen im Januar 2020 Grundeinkommen gewonnen. Bei Mein Grundeinkommen habe ich mich angemeldet, als ich in Deutschland für landwirtschaftliche Projekte gearbeitet habe.
Ich habe fast mein gesamtes Grundeinkommen für meinen großen Traum zurückgelegt: Ich möchte etwas außerhalb von Athen ein Grundstück kaufen, dort Bäume pflanzen und Obst und Gemüse anbauen.
Ich habe Jura studiert und spezialisiere mich jetzt gerade im Bereich Menschenrechte. Die letzten Jahre war ich für eine internationale Nicht-Regierungsorganisation (NGO) auf Lesbos, wo ich mit Geflüchteten gearbeitet habe. Die Arbeit hat mich ganz schön mitgenommen, weil ich mit vielen schlimmen Schicksalen konfrontiert war, aber vor allem auch mit den Grenzen der Hilfsprogramme. Ich habe viel Diskriminierung und Ungerechtigkeit gesehen und konnte nichts dagegen tun.
Pünktlich mit dem Ende meines Grundeinkommens habe ich einen neuen Job angefangen. Ich arbeite jetzt für eine kleinere NGO, die den Geflüchteten Rechtsbeistand gibt.
Auch wenn ich nur halb so viel verdiene wie davor, habe ich jetzt viel stärker das Gefühl, dass ich mit den Menschen verbunden bin und ihnen wirklich helfen kann. Vielleicht hätte ich die Entscheidung für diesen Job ohne das Grundeinkommen nie getroffen, weil ich mir zu viele Sorgen um meine finanzielle Sicherheit gemacht hätte.
Das Grundeinkommen hat mich noch engagierter gemacht. Wenn alle Menschen Grundeinkommen hätten, würden vielleicht alle diesen Wunsch haben, der Gesellschaft etwas zurückgeben zu wollen!
Das Sicherheitsnetz hier in Griechenland ist die Familie. Bestimmt Dreiviertel der jungen Menschen leben bei ihren Eltern, wenn sie keine Arbeit haben, weil sie sich den Lebensunterhalt sonst nicht leisten können. 400 Euro für eine eigene Wohnung bei einem Arbeitslosengeld von 200 Euro im Monat, das funktioniert nicht. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen würde gerade bei diesen Menschen so viel Freiheit bedeuten. Sie könnten neue Ideen entwickeln für sich und die Gesellschaft. Leider können sich die meisten Menschen hier ein Bedingungsloses Grundeinkommen nicht vorstellen, weil es dafür mehr Vertrauen in den Staat und in die Regierung braucht.
“Ich kann von meiner Zukunft träumen”
Costa (26) aus Thessaloniki, Griechenland
Als ich vom Gewinn erfahren habe, war ich zufällig gerade auf dem Weg zu meinem Bruder Petro nach Athen. Ich konnte gar nicht glauben, dass wir zusammen Grundeinkommen gewonnen hatten! Das Geld kam wirklich wie gerufen, weil ich Anfang 2020 kurz vor dem Ende meines Studiums stand und mich mit einem eigenen Fitnessstudio selbstständig machen wollte.
Ich trainiere unter anderem mit Menschen, die übergewichtig oder gestresst sind. Aber auch mit Menschen, die an Krebs oder Alzheimer erkrankt sind. Sport ist fast so wichtig wie Medizin, weil er die allgemeine Leistungsfähigkeit des Körpers steigert, auch im Kampf gegen schlimme Krankheiten.
Ich hatte schon 20 Kund*innen, aber dann kam die Corona-Pandemie und alle Aktivitäten wurden abgesagt. Und so habe ich das Grundeinkommen erst für meinen Lebensunterhalt ausgegeben und den Rest für meine ersten Sportgeräte.
Grundeinkommen und Gesundheit sind für mich eng miteinander verbunden. Ich merke, dass ich durch das Geld freier bin und nicht so gestresst. Ich kann mir Zeit nehmen, meine Zukunft zu planen. Ich bin toleranter, freundlicher und geduldiger gegenüber anderen Menschen.
Wenn die Corona-Pandemie vorbei ist, möchte ich gerne reisen. Bis auf einen Besuch bei Petro, als er noch in Deutschland gewohnt hat, war ich noch nie in einem anderen Land.
“Ein Grundeinkommen würde hier Leben verändern”
Lisa (48) aus Las Palmas, Gran Canaria
Ich bin ursprünglich mal für ein Praktikum nach Gran Canaria gekommen und einfach geblieben, als mir ein Job angeboten wurde. Jetzt bin ich mittlerweile seit 20 Jahren hier und habe mir vor ein paar Jahren ein Haus in Las Palmas gekauft; ein tolles Townhouse mit Dachterrasse, das allerdings mehr als renovierungsbedürftig war. Wenn ich ehrlich bin, war das damals schon fast eine Müllhalde. Ich hatte nur eine Steckdose und die hatte auch noch die falsche Spannung.
Ich erinnere mich noch sehr gut an den Moment, als ich die Gewinnbenachrichtigung bekommen habe: Ich bin dem erstbesten Menschen vor Freude um den Hals gefallen, nämlich dem Handwerker, der mir meinen Weg gepflastert hat. Der hat sich total mit mir gefreut. Ansonsten habe ich mein Grundeinkommen eher nicht an die große Glocke gehängt, mir sind leider auch Neid und Missgunst begegnet.
Das Durchschnittseinkommen auf Gran Canaria liegt unter 1.000 Euro im Monat. Ein Grundeinkommen würde hier Leben verändern!
In Spanien gibt es kein Hartz4 wie in Deutschland. Wenn man hier länger als zwei Jahre arbeitslos ist, bekommt man gar nichts und muss sehen, wo man bleibt. Die neue linke Regierung hat zwar versucht, eine Art Sozialhilfe einzuführen. Die ist aber noch nicht komplett angelaufen und der Betrag reicht auch nicht für Miete und Essen. In Spanien ist es das schlimmste, allein zu sein. Hier funktioniert fast alles über das soziale Umfeld.
Mein Grundeinkommen ist komplett in die Renovierung des Hauses geflossen. Ich habe das Dach abgedichtet, zwei Bäder und meine Küche eingerichtet, auch wenn es am Schluss für einen Backofen dann doch nicht mehr gereicht hat. Irgendwann werde ich so weit sein, dass ich einen Teil des Hauses untervermieten kann. Dann hätte ich mein eigenes kleines Grundeinkommen.
“Ich weiß, dass das Geld da ist, wenn ich es brauche”
Rebecca (23) aus Seltz, Frankreich
Ich habe mit meiner Mutter Regina zusammen im Juli 2020 Grundeinkommen gewonnen. Wir wohnen mit meinen beiden jüngeren Geschwistern in einer kleinen Gemeinde in Frankreich, direkt an der deutschen Grenze.
Ich studiere Internationalen Handel in Straßburg und muss eigentlich nur noch mein Praktikum machen, dann bin ich fertig. Eigentlich habe ich das Studium nur angefangen, um die Wartezeit zu überbrücken. Ich hoffe nämlich, dass ich ab Herbst eine Ausbildung beim Zoll anfangen kann. Irgendwie wusste ich nach der Schule nie richtig, was ich machen will und habe dann ganz einfach mal im Internet gesucht, mit welchen Berufen man am meisten Geld verdient.
Würde es ein Bedingungsloses Grundeinkommen geben, hätte ich vielleicht nicht nach der höchsten Bezahlung gesucht, aber beim Zoll hätte ich es trotzdem versucht.
Der Zoll ist mir als Arbeitgeber nie in den Sinn gekommen, aber eigentlich ist es total naheliegend, weil wir den Zoll-Mitarbeitenden ja auch immer begegnen, wenn wir nach Deutschland fahren.
Ich stelle mir die Arbeit ziemlich abwechslungsreich vor, auch schon während der Ausbildung. Ich könnte an der Grenze und an Flughäfen arbeiten, Schwarzarbeit kontrollieren oder Straßenkontrollen durchführen. Ich müsste nie mein ganzes Leben lang dasselbe machen.
Vom ersten Grundeinkommen habe ich mir einen Ventilator mit integriertem Luftreiniger gekauft, weil wir zuhause drei Katzen haben und ich manchmal allergisch reagiere. Der hat ein paar Euro mehr gekostet, aber ich habe es mir gut überlegt und mich dann gefreut, weil ich mich nicht zurückhalten musste. Ansonsten habe ich mein Grundeinkommen für die Ausbildung zurückgelegt. Ich weiß, dass das Geld da ist, wenn ich es irgendwann brauche. Das macht mich glücklich und zufrieden.
"Von dem Grundeinkommen werden wir noch Jahre zehren”
Regina (53) aus Seltz, Frankreich
Meine Tochter Rebecca hat mich letztens gefragt: “Mama, weißt du noch, wie lange du auf die letzte Waschmaschine sparen musstest?” Und jetzt konnte ich mit dem Grundeinkommen einfach so eine neue kaufen. Mit dem Grundeinkommen muss ich mir keine Sorgen machen, wenn der Familieneinkauf mal 50 Euro mehr kostet. Und ich muss nicht auf mein Weihnachtsgeld warten, damit ich die Heizrechnung bezahlen kann.
Als Pendlerin bin ich auf mein Auto angewiesen. Jetzt muss ich mir keine Gedanken mehr machen, dass ich mir eine Reparatur nicht leisten kann. Ich arbeite als Diätassistentin im Krankenhaus momentan sehr viel. Ich bereite das Essen zu, mache die Qualitätskontrolle und bin im Austausch mit den Patient*innen.
Dranbleiben! Mit dem wichtigsten Newsletter zum Grundeinkommen
Am Anfang wollten wir mit dem Grundeinkommen unbedingt in den Urlaub fahren, irgendwo ans Meer in ein Haus mit einem eigenen Pool. Aber das hat sich erledigt, als die Corona-Lage weiterhin alarmierend blieb. Die Ausgangsbeschränkungen in Frankreich waren und sind sehr streng, da war an Urlaub bald nicht mehr zu denken.
Ich weiß nicht, wie ich das Gefühl ausdrücken soll, das mir das Grundeinkommen gibt. Eine unheimliche Beruhigung ist es ganz sicher. Ich habe viel zurückgelegt. Von dem Grundeinkommen werden wir noch Jahre zehren.
Petro, Costa und Lisa heißen eigentlich anders. Die Gründe für ihren Wunsch, anonym zu bleiben, sind verschieden. Nicht alle drei haben ihrem ganzen Umfeld vom Grundeinkommens-Gewinn erzählt. Wir danken ihnen, dass sie uns trotzdem in ihr Leben gelassen haben.
Was denkst du? Die Europäische Bürgerinitiative für ein Bedingungsloses Grundeinkommen sammelt Unterschriften, um das Grundeinkommen vor die EU-Kommission zu bringen. Sollte die EU ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle Mitgliedstaaten einführen?
354.070
Menschen haben bisher
1.902
Grundeinkommen finanziert