Im Denkraum Soziale Marktwirtschaft, einem neuen Projekt des Expertennetzwerks Arbeitswelten 4.0 (IFOK) und des Frankfurter Allgemeine Forums, diskutieren Akteure aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik über die Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft, demografischen Wandel und digitale Transformation.
Unser Mitarbeiter Christian Lichtenberg wurde eingeladen, einen Beitrag über das bedingungslose Grundeinkommen beizusteuern, in dem auch die Erfahrungen unseres Projekts Beachtung finden. In einer Pro-Contra-Gegenüberstellung plädiert er für das bedingungslose Grundeinkommen. Dies ist sein Beitrag:
Finnland und die Niederlande werden es 2017 testen, knapp ein Viertel der Schweizer*innen hat im Juni in einem ersten Volksentscheid dafür gestimmt - die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen hat in Europa zuletzt mehr denn je Fahrt aufgenommen.
Dass es für Deutschland finanzierbar ist, belegen verschiedene Studien – zuletzt eine Untersuchung der Freien Universität Berlin, die volkswirtschaftliche Effekte einer Einführung von Grundeinkommen analysierte. Im Bundestag mangelt es seit der Empfehlung einer CDU-Kommission unter Leitung von Ex-Ministerpräsident Althaus aus dem Jahr 2010 allerdings an einer umfassenden Debatte zum Grundeinkommen. In der Zivilgesellschaft sieht es anders aus: Umfragen belegen, dass die Deutschen einem Grundeinkommen aufgeschlossen gegenüberstehen, erfolgreiche Unternehmer wie dm-Gründer Götz Werner, Telekom-Vorsitz Höttges und SAP-Vorstand Leukert fordern öffentlich die Einführung eines gesetzlichen Grundeinkommens.
Daneben nimmt derzeit die Initiative Mein Grundeinkommen großen Einfluss auf die öffentliche Debatte, wo bislang über 45.000 Menschen per Crowdfunding 50 Menschen Jahres-Grundeinkommen finanzieren. Dabei zeigt sich Erstaunliches: Die Mehrheit der Bezieher*innen verwirklichen persönliche Träume, arbeiten mehr als zuvor, verbringen mehr Zeit mit ihren Familien und leben durch das einjährige Aussetzen der Existenzangst gesünder – so kann beispielsweise Gewinner Marc erstmals seit Jahren auf den Einsatz von Kortison zur Behandlung seiner chronischen Magen-Darm-Krankheit verzichten.
Wie das Experiment zeigt, könnte sich ein gesetzlich garantiertes Grundeinkommen für Deutschland in vielerlei Hinsicht lohnen: Nicht nur würde man sinnvoll auf den Rückgang von Arbeitsplätzen durch Digitalisierung und Automatisierung reagieren und der Stigmatisierung prekärer Lebensumstände – wie durch Hartz-IV – entgegenwirken. Vor allem kann Grundeinkommen eines schaffen: Die Menschen in ihrer Würde gleichstellen, aus der heraus sie sinnvoll tätig werden können – freier, emanzipierter und möglicherweise kreativer und innovativer.
Die bislang durchgeführten Grundeinkommens-Experimente in Kanada, Brasilien, Indien und Namibia zeigen, dass Grundeinkommen nicht Faulheit, sondern Beschäftigung schafft. Außerdem ist es Vertrauenssache: Umfragen belegen für Europa und Deutschland, dass die Mehrheit der Menschen glaubt, in einer Grundeinkommens-Gesellschaft selbst weiterhin arbeiten zu gehen, während sie ihren Mitmenschen dies nicht zutraut.
Die Gegenargumentation zu diesem Beitrag übernahm Hans Sterr von ver.di Bayern. Diese könnt ihr hier nachlesen. Interessant ist, dass in der Frage, ob Grundeinkommen das menschenunwürdige Hartz-IV-System ablösen sollte, beide sogar ähnliche Positionen haben. Während Hans Sterr geschwächte Arbeitnehmerpositionen fürchtet, zeichnet Christian Lichtenberg jedoch ein positives Bild des Grundeinkommens, indem er unter anderem auf die Erfahrungswerte unserer Gewinner*innen zurückgreift.
Welche Argumente findet ihr am schlagkräftigsten?