Ich starre auf mein Handy, wo gerade eine SMS eingegangen ist. Wäre sie von irgendwem anderen, hätte ich sie inhaltlich sofort als Spam gelöscht. Aber sie ist von Greta.
Uaaaaaa, Jesta! Herzlichen Glückwunsch. Der Michel aus Lönneberga hat dich zur Grundeinkommensgewinnerin gemacht.
Ist das ein Witz? Wirklich?
Jaaaa. Es ist wahr!
Oh, mein Gott!!! Ich stehe im Wald. Wirklich. Und heule.
Ich freue mich so für euch!
Dein Thema, es kommt zu dir. Ich stehe im Wald. Wirklich. Auf einer kleinen steinernen Brücke – unter mir das Nonnenfließ, wo Biber ihre Wasserburg errichtet haben. Ich bin unterwegs auf meiner monatlichen Wandertour auf der 66-Seen-Route um Berlin diesmal zwischen Biesenthal und Falkenberg.
Ich setzte mich auf das kleinste Brückengeländer der Welt und schmeiß fast mein Handy in die Biberburg.Es rast in mir. Das Blut. Das Adrenalin. Die Gedanken. Die Ideen und Möglichkeiten. Und ganz oben schwimmt eigentlich nur eins: Na dann los, dann machst du jetzt dein Experiment. Jetzt probierst du es aus.
Ich versuche meine Frau anzurufen. Die Verbindung ist mies. Es hilft nichts, dass ich jetzt laut schluchze beim Reden.
Ich habe gewonnen…
Was hast du gewonnen?
Das bedingungslose Grundeinkommen.
Wie? Warum hast du das gewonnen?
Ich habe es als Crowdhörnchen unterstützt. Dadurch war ich automatisch in jeder Verlosung drin.
Du warst ein was?
Wir verschieben Gespräch auf abends, wo ich ihr das Crowdhörnchen erkläre und meine monatliche Unterstützung für das Projekt. Wir trinken Sekt, ich heule noch ein bisschen und erkläre den Kindern, was Freudentränen sind. Unsere Tochter mag es trotzdem nicht, wenn ich weine und stopft mir ein Gummibärchen in den Mund. Ich streiche ihr über den Kopf und gehe dann nachsehen, warum unser Sohn nichts mehr anhat außer Gummistiefel. Das große Feiern mit zwei kleinen Kindern…
Ich glaube an das bedingungslose Grundeinkommen. Bedingungslos. Ich verfechte es, wo ich kann. Privat als auch in meiner Arbeit.
Ich glaube daran, dass wenn die Existenzangst weg ist, wir zur vollen Größe erwachsen und wirklich das in unser Arbeit geben können, was wir in diese Welt träumen möchten, was wir beitragen wollen.
Ich glaube an das glückliche Arbeiten. Nicht als Luxus. Sondern als Grundvoraussetzung dafür, dass wir irgendetwas von Wert (er-)schaffen.
Und mit all dem nun also - Vorhang auf für das Ausprobieren meiner Utopie. Ich habe schon lange davon geträumt und auch viel davon erzählt, dass es mein Ziel ist, irgendwann so arbeiten zu können, dass sich meine Klienten selbst aussuchen können, was sie mir zahlen. Nach unserer Arbeit zusammen entscheiden sie, was es ihnen wert ist und was sie sich innerhalb ihres Budgets leisten möchten.
Ich arbeite als (Slow) Business Coach und Trainerin für intuitives Zeitmanagement und zu meinen Hauptklienten gehören Selbstständige, Eltern, Visionäre… Die meisten meiner Klienten fallen in mindestens zwei dieser drei Kategorien. Der Zeitpunkt unserer Arbeit zusammen fällt oft auch in den Wiedereinstieg nach der Elternzeit, nach einer Auszeit, und auch mal nach dem Burn-out. Zeiten in denen Geld nicht unbedingt zu den Hauptressourcen zählt.
Ich arbeite zwar schon von Anfang an auch im Tausch und möchte dies auch nicht missen. Da aber, meine Vermieter, der Supermarkt, die Kita meiner Kinder und viele andere meine Dienste nicht im Tausch für das, was ich von ihnen brauche annehmen, kam es auch schon dazu, dass ich Tauschangebote ablehnen musste.
Das Projekt Offener Preis ist ein Experiment. Schon aus meiner Erfahrung mit dem Tauschen weiß ich, dass nicht alles einfach immer nur einfach und klar ist. Daher jetzt meine Utopie als Experiment mit der offiziellen Möglichkeit des Scheiterns.
Aber ich will es halt wissen, ob Arbeiten und Bezahlung auch über Vertrauen läuft. Über Selbsteinschätzung. Kann ich das Ganze überhaupt halten oder kommen mir blöde Gedanken und Gefühle? Und wenn ja, welche? Welche tollen Gefühle kommen? Wie steht es mit der Angst? Auch wenn meine Existenzangst jetzt für ein Jahr aufgefangen ist – Was ist da noch? Und wie ist das Ganze für meine Klienten? Werden sie die Option der eigenen Preisfestlegung wählen oder fühlen sie sich besser den von mir genannten Preis zu zahlen? Kommen sie jetzt, weil sie es sich vorher nicht leisten konnten? Oder kommen sie jetzt gar nicht, weil es mit einem unklaren Gefühl verbunden ist…
Ich weiß es nicht, will’s aber rauskriegen und dokumentieren. Vielleicht wird ein Buch draus, vielleicht ein Blog Artikel, vielleicht ein Podcast…
Für mich ist das Jahr bedingungsloses Grundeinkommen ein Stipendium für mein ganz eigenes Forschungsprojekt zum glücklichen Arbeiten. Es ist Freiheit von Existenzangst durch Grundabsicherung. Es ist Zeit, die ich diesem Experiment widme. Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen, kann ich endlich so arbeiten, wie ich es mir wünsche…
Und für diese Freiheit und Möglichkeit danke ich euch allen – allen Crowdhörnchen & dem Team des Mein Grundeinkommen, sowie allen anderen UnterstützerInnen der Idee selbst!
Habt herzlich liebsten Dank für diese Chance!
Jesta
PS: Wie das Experiment selbst läuft, werde ich erst im Nachhinein öffentlich machen. Aber wie es ist im Grundeinkommen Jahr zu leben und was dabei sonst noch so rauskommt, werde ich auch vorher schon mal berichten…