Seit Juni dieses Jahres regiert in Schleswig-Holstein eine Koalition aus CDU, Grünen und FDP. Für Schlagzeilen sorgte nun ihr Vorhaben, ein Pilotprojekt zum bedingungslosen Grundeinkommen auf den Weg zu bringen. Uns hat interessiert, was es mit diesem politischen Vorstoß auf sich hat und haben deswegen bei Robert Habeck, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins, nachgefragt.
Warum möchtet ihr in Schleswig-Holstein ein Pilotprojekt zum bedingungslosen Grundeinkommen ins Leben rufen?
Erwerbsbiographien haben immer häufiger Brüche, die Lebens- und Arbeitswelt vieler Menschen wird fragiler - gerade auch, weil die Digitalisierung zu radikalen, rasanten Veränderungen führt. Hier brauchen die Menschen eine neue Form von Sicherheit. Diese Analyse teilen immer mehr Leute – und offenbar auch unsere neuen Koalitionspartner CDU und FDP. Deshalb haben wir ausgemacht, uns gemeinsam um neue Absicherungsmodelle zu kümmern und zu überlegen, wie es gehen kann. Dabei gibt es, das muss man klar sagen, jetzt noch keine Festlegung auf ein bedingungsloses Grundeinkommen – auch andere Modelle sollen mit betrachtet werden. Aber es ist schon stark, dass sich die Koalition da rantraut – und explizit eben auch Modelle von Grundeinkommen in den Blick nimmt.
Wie wird das Experiment aussehen und wann wird es voraussichtlich durchgeführt werden?
Wir stehen da noch am Anfang. Vereinbart ist, dass ein Zukunftslabor als Ideenschmiede ins Leben gerufen wird, federführend läuft das dann im Sozialministerium. Da finde ich, sollten wir uns Modelle ausdenken, wie es gehen kann. Und wenn wir das haben, muss man noch ein ziemlich dickes Brett bohren. Letztlich müsste dann der Bund wahrscheinlich Rahmenbedingungen schaffen, damit man ein oder mehrere Modelle mal ausprobieren kann – in Schleswig-Holstein oder auch anderswo. Aber dass wir uns überhaupt auf den Weg machen und nicht gleich sagen, das geht eh nicht, alles zu kompliziert und viel zu schwierig, das ist für mich ein starkes Signal. Wir brauchen mehr Pioniergeist, mehr Mut, mal was zu testen.
Was würde denn passieren, wenn ein solches Experiment erfolgreich wäre?
Das kann jetzt niemand voraussehen. Ich würde mir aber wünschen, dass wir eines Tages Menschen wieder mehr Sicherheit geben – und damit auch neue Formen von Freiheit ermöglichen. Dass sie ihren Lebensweg gehen und mal verlassen können, mal was ausprobieren und mal fallen können – und es fängt sie jemand auf.
Und wie sieht die Stimmung in den Parteien zum Thema bedingungsloses Grundeinkommen aus?
Die Parteien schauen da schon unterschiedlich drauf. Die Bundeskanzlerin findet es – wenn ich es richtig sehe – blöd, die FDP hat bislang ja das Modell des Bürgergeldes im Blick, das werden wir auch mit anschauen. Wir sind da noch weit weg von einem Konsens. Aber das macht es ja so spannend, da weiterzugehen. Führt eine Art Grundeinkommen dazu, dass sich alle auf die faule Haut legen und nichts mehr tun? Oder das Gegenteil – dass es Leute motiviert, ihre Ideen sprudeln, weil sie keine Angst vor dem bedingungslosen Absturz haben müssen? Oder bedeutet es, dass die Unternehmen sich aus ihrer Verantwortung rausziehen, gar keine sicheren Arbeitsplätze mehr schaffen und sagen, das soll alles der Staat machen?
Du giltst als Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens. Was persönlich reizt dich an dieser Idee?
Ob es wirklich bedingungslos sein wird, muss man sehen. Aber ich glaube, ein Grundeinkommen hilft, das Beste aus den Menschen herauszukitzeln, ihre Kreativität, den Mut, die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln. Das heißt nicht, dass jeder ein freier Unternehmer werden und sein eigenes Startup gründen muss. Für viele Menschen ist ein fester Rahmen, eine Einbindung in eine strukturierte Arbeitswelt mit Kolleginnen und Kollegen aus vielen Gründen wichtig. Aber ich glaube, ein Grundeinkommen schafft Vertrauen, so dass keiner aus finanziellen Gründen Angst haben muss, aus der Gesellschaft quasi rauszufliegen. Es schafft – so denke ich jetzt – Vertrauen in die Möglichkeiten.