Herr Bohmeyer, Sie selbst haben 4 Jahre lang ein bedingungsloses Grundeinkommen bezogen, also monatliche Geldzahlungen ohne Gegenleistung. Wie war das?
Zunächst dachte ich: Cool, Geld ohne Arbeit! Aber dann stellte ich fest: Es war ein schreckliche Quälerei! Ohne einen Arbeitsplatz und die dazugehörige Existenzangst war ich einfach nicht mehr ich. Jeden Tag musste ich mich neu fragen, wie ich leben und arbeiten will. Es war ja plötzlich alles möglich! Meine Neugier hat mich nicht mehr zur Ruhe kommen lassen. Ich wurde zwar entspannter mit meinem Kind, aber das tanzt mir jetzt auf der Nase rum. Aber das schlimmste war, dass ich auf einmal die Welt verändern wollte. Dabei lernen wir ja nicht ohne Grund schon früh, dass das nicht geht. Durch das Grundeinkommen konnte ich das einfach nicht mehr klar sehen. Heute weiß ich: Die größte Qual ist die Freiheit. Und was hilft besser dagegen, als staatlich kontrollierte Unterstützung?
Ist das der Grund, warum “Mein Grundeinkommen” jetzt seine Strategie ändert?
Ja! Wir sind aus unserer Gutmenschen-Naivität aufgewacht. Die Menschen wollen kein Recht auf Einkommen. Sie wollen ein Recht auf Arbeit. Was für Arbeit sie tun, für wen und warum, ob sie wirklich passt, wie viele Stunden, an welchem Ort, ob man sich nochmal umentscheiden kann – das ist eigentlich egal. Vor allem wollen die Leute nicht alleine gelassen werden! Das hat Berlins Bürgermeister Michael Müller erkannt und er hat uns dazu inspiriert realistischer zu werden. Wir verlosen deswegen jetzt keine Bedingungslosen Grundeinkommen mehr, sondern solidarische Hartz-4-Jobs, wie es Müller in seinem Konzept vorsieht.
Was ist aus Ihrem Anspruch geworden eine neue Erzählung der Gesellschaft zu bieten?
Lange dachten wir Vertrauen sei gut. Heute weiß ich: Kontrolle ist besser. Sie gibt den Menschen das Gefühl, dass sich jemand um sie kümmert. Ein Blick in die Geschichte zeigt: wir leben so friedlich wie nie – schauen sie sich nur die letzten 100 Jahre unserer Geschichte an! Wo Menschen arbeiten müssen, herrscht Wohlstand, Freiheit und Frieden. Wir leben heute bereits die beste aller Utopien - unser Beitrag kann deshalb nur lauten, die Verhältnisse so zu belassen wie sie sind.
Was ist dann noch die Aufgabe von “Mein Solidarisches Grundeinkommen”?
Wenn wir hier und da an einer kleinen Schraube drehen, wie jetzt an Hartz IV oder am Mindestlohn bin ich mir sicher, dass auch langfristig Herausforderungen wie die Klimakatastrophe, die soziale Spaltung oder die Digitalisierung kein Problem darstellen werden. Da muss ich zugeben, habe ich einiges von der SPD in den letzten Jahren gelernt: Arbeitsplätze gehen einfach vor und sind das beste Mittel für und gegen alles.
Viele Anhänger eines bedingungslosen Grundeinkommens sind verärgert, dass Herr Müller und nun auch Sie dafür den Begriff “Grundeinkommen” kapern.
Da heißt es auch erwachsen werden! Sicherlich wurden bei der Agenda 2010 auch Fehler gemacht. Aber sie hat damals unser Land gerettet und uns zum Exportweltmeister gemacht. Heute sind fast alle Deutschen in Lohn und Brot und wir alle spüren täglich, wie zufrieden uns das macht. Statt alles umzustoßen müssen wir jetzt Hartz in die fünfte Version bringen. Dafür braucht es natürlich neue Begriffe, die in der Bevölkerung mehrheitsfähig sind. Dank unserer Grundeinkommens-Verlosungen konnten wir mit dem Grundeinkommen in den letzten Jahren genau den passenden Begriff dafür aufbauen.
Eine letzte Frage: Wer hat Sie beraten?
Sozialdemokraten!
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