Antonis Schwarz ist 35 - und Millionär. Geld sieht er aber nicht bloß als Schlüssel zu einem guten Leben, sondern vor allem als Mittel, um die drängenden Fragen unserer Zeit anzugehen.
Als seine Familie durch den Verkauf von Schwarz Pharma im Jahr 2006 zu einem stattlichen Vermögen kommt, will Antonis mehr, als sich einfach nur zurückzulehnen. Er schließt sich taxmenow an - einer Initiative, in der sich mehrere Millionär*innen aus dem deutschsprachigen Raum für eine stärkere Besteuerung besonders Vermögender einsetzen. In unserem Interview fordert er mehr Steuergerechtigkeit für Deutschland.
Unser Thema Das Ende der Ungleichheit stellt die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich in den Vordergrund – und blickt auf verschiedene Möglichkeiten, diese zu überwinden.
Antonis, als junger Millionär setzt du dich für eine stärkere Besteuerung der Reichsten ein. Wieso kämpfst du für einen solchen Ausgleich? Und warum siehst du das in deiner Verantwortung und der anderer vermögender Menschen?
Antonis: Hier muss ich meine Antwort zweiteilen: Einerseits ist es ja so, dass durch die Dekarbonisierung der Wirtschaft, beziehungsweise durch die Klimakrise an sich, extrem hohe Ausgaben finanziert werden müssen. Und auf der anderen, der sozialen Seite haben wir eben in Deutschland auch ein Armuts- und ein Verteilungsproblem dadurch, dass zehn Prozent der Bevölkerung zwei Drittel des Vermögens besitzen – und die unteren 50 Prozent so gut wie nichts.
Ich glaube also, dass es gleich aus mehreren Perspektiven heraus Sinn ergibt, stärker zu verteilen. Und ich glaube auch, dass es schon sehr wichtig ist, dass wir die nächsten Jahre noch mal unsere Anstrengungen erhöhen, was das Klima- beziehungsweise Umweltthema angeht!
Geht es dir dabei vor allem um die gesellschaftliche Ebene oder denkst du auch, dass das einen individuellen Vorteil für dich hätte?
Antonis: Ich glaube, es stimmt beides. Also quasi, dass es als Vermögender ja auch nicht so super ist, auf einem Planeten zu leben, wo sozial und ökologisch alles aus den Fugen gerät. Ich glaube eben, dass es auch im Interesse der Vermögenden ist, dass sie zumindest ein bisschen was abgeben, damit die Welt ein lebenswürdiges Umfeld für alle bleibt.
Also findest du auch, dass die Klimafrage nicht von der ökonomischen Frage nach der sozialen Ungleichheit zu trennen ist?
Antonis: Ja, absolut. Das zeigt sich ja auch beim CO2-Verbrauch, denn das ist ja eigentlich auch ein Verteilungsproblem. Ich denke da auch an die Privatjets.
Wie reagierst du, wenn dir jemand entgegnet: "Du kannst doch einfach spenden"?
Antonis: Also erstmal ist es ja leider so, dass in den letzten Jahren die Vermögenden noch mal sehr viel dazu gewonnen haben, und das hat sich nicht in höhere Spenden übersetzt. Es gibt sogar weniger Spenden. Der einzig legitimierte Akteur, der das Verteilungsproblem lösen kann, ist also der Staat.
Und ich nehme auch in meinem Umfeld sehr intensiv wahr, wie wenig gespendet wird, wie kleinlich die Reichen bei uns sind – und wie viel sie auf der anderen Seite aber für private Dinge ausgeben. Deswegen mache ich mir da gar keine Illusionen, auf die Vermögenden kann man sich leider in der Hinsicht nicht verlassen. Sonst müssten sie ja schon längst reagiert haben, was sie aber nicht getan haben. Insofern ist das eigentlich nur so eine Art Nebelkerze, um vom eigentlichen Problem abzulenken.
Was mich persönlich angeht: Ich gebe einen Großteil meines Geldes ja tatsächlich für Spenden aus, vor allem über die Guerrilla Foundation – und da sind ja jetzt auch acht weitere Personen, die das neben mir mitfinanzieren.
Ich glaube aber, dass beim Thema Philanthropie (d.h. wörtlich "Menschenliebe", die sich als Förderung Unterstützungsbedürftiger zumeist durch Reiche äußert, Anmerkung der Redaktion) zudem problematisch ist, dass das Ganze häufig sehr Ego-getrieben ist." Man möchte seinen Namen überall sehen, das ist ja auch so ein Sport für die Reichen.Oft ist das dann auch gar nicht zielgerichtet und etwas willkürlich. Man kann ja zum Beispiel auch für den Bau einer Dressur-Reithalle spenden.
Antonis: Das liegt vor allem an der sehr starken Lobby der Familienunternehmer, die einfach bestens vernetzt sind. Und daran, dass die Politiker selbst ja auch bezahlt werden. Denn teilweise sitzen die ja in allen möglichen Beiräten. Insofern würde ich sagen, es liegt am sogenannten "Corporate Capture" – oder in dem Fall "Family Business Capture".
Das bedeutet übersetzt, dass quasi die Wirtschaft in die Politik geht. Im Endeffekt gibt es da sehr starke Netzwerke – und dann ist es auch so, dass die Politiker teilweise als Redner mit sehr hohen Gagen auftreten, oder man spendet halt direkt an die Partei. Und in Deutschland gibt es eben auch keine Deckelung der Spendenhöhe.
Das betrifft mich natürlich auch, ich bin ja quasi in der Hinsicht auch "Sünder", dass ich zu viel spende. Das müsste man auch deckeln.
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Und was kann man dagegen tun?
Antonis: Also ich denke, es sind mehrere Dinge. Aber am wichtigsten wäre in Deutschland wohl, dass man als Politiker während der Zeit des Mandats möglichst kein Einkommen außerhalb der Politik haben sollte.
Es wird gerne behauptet, dass höhere Steuern der Wirtschaft schaden würden. Denn sie würden zu Kapitalflucht und damit – durch Unternehmensverlagerungen ins steuergünstigere Ausland – auch zum Verlust von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen führen.Ist das wirklich so oder ist das eine reine Drohkulisse?
Antonis: Familienunternehmer sind sehr gut darin, solche Schreckgespenster an die Wand zu malen. Ich würde sagen, die Superreichen ziehen jetzt schon weg aus Deutschland. Und ja, man muss eben einfach die Besteuerung entsprechend so gestalten, dass diejenigen einen bestimmten Betrag bezahlen müssen, die wegziehen – und gegebenenfalls auch ihre Staatsbürgerschaft verlieren. (Anmerkung der Redaktion: Ganz so einfach ist es für Unternehmer*innen übrigens nicht, ihren Standort in Deutschland auf die Schnelle komplett abzubauen.)
Wo ziehen sie dann hin? In Niedrigsteuerländer?
Antonis: Genau – zum Beispiel in die Schweiz oder nach Österreich. Beide sind ja sehr nah an Deutschland, so kann man sich immer noch viel in der Bundesrepublik aufhalten. Man muss nur aufpassen, keine Wohnung dort zu besitzen und darauf achten, sich nur ein bestimmtes Kontingent an Tagen dort aufzuhalten.
Wie genau funktioniert das?
Antonis: Du ziehst in die Schweiz, dafür verhandelst du mit dem betroffenen Kanton über die Höhe der Besteuerung. Der Vorteil: In der Schweiz gibt es keine Kapitalertragssteuer. Das heißt, Gewinne an der Börse sind steuerfrei – in Deutschland wären ca. 25 Prozent Steuern fällig. Und beim Erben sparst du eine sehr große Summe prozentual, vor allem, wenn deine Kinder auch in Niedrigsteuerländern leben. Dann kann das Vermögen so gut wie umsonst übertragen werden.
Wenn es also stimmt, dass Unternehmer*innen auch heute bereits wegen Steuern wegziehen - wie ist deine Haltung dazu?
Antonis: Wenn Hochvermögende wegziehen, obwohl die Steuern hier ja eigentlich immer weiter gesenkt werden, bleibt eigentlich nur eine Lösung wie in den USA: nämlich, dass das pro Person und nicht nach Standort geregelt ist. Wir haben ja keine konkreten Forderungen bei taxmenow, aber ich glaube, ein wichtiger Punkt ist auch die Progressivität von Steuern. Also: Je mehr du besitzt, desto mehr Steuern solltest du prozentual auch zahlen. Und das ist ja nicht der Fall, momentan ist es anders herum: Je mehr du besitzt, desto weniger zahlst du.
Denkst du, hochvermögende Menschen gehen davon aus, dass sie es schlicht verdient haben, so vermögend zu sein? Oder gibt es auch ein Bewusstsein dafür, dass so großer Reichtum mit dem Leistungsprinzip allein nicht erklärt werden kann?
Antonis: Ich denke, man muss unterscheiden: Es gibt durchaus viele Vermögende, die glauben, es brauche höhere Steuern oder zumindest eine stärkere Gleichbehandlung von Vermögenden – gleiches Recht für alle. Auf der anderen Seite des Spektrums gibt es sicherlich auch Menschen, die glauben, dass ihr Vermögen schon an und für sich genug sozialen Nutzen generiert und deswegen möglichst nicht besteuert werden sollte.
In der Debatte rund um Steuererhöhungen halten sich einige Narrative hartnäckig. So zum Beispiel, dass Vermögende nichts so sehr hassen, wie Steuern zu zahlen. Ihr tretet für eine konträre Haltung ein - aber damit seid ihr ja wahrscheinlich eher in der Minderheit, oder?
Antonis: Ja klar, es herrschen schon teilweise sehr "staatsfeindliche" Narrative vor. Also, der Staat ist in diesem Weltbild dann eben ineffektiv und voller bürokratischer Hürden – deswegen sind übrigens auch einige Reiche für das Grundeinkommen.
Danke für das sehr interessante Gespräch, Antonis!
Willst du unbedingt wissen, was wir als nächstes vorhaben? Du kannst es kaum noch abwarten? Wir platzen auch schon fast vor Aufregung.