Die "Steilen Thesen" sind endlich zurück! In der neuen Folge unseres Video-Podcasts werfen Susann und Helene einen kritischen Blick auf den allgegenwärtigen Trend zur Selbstoptimierung. Hilft das wirklich gegen Überlastung – oder macht es sie nur schlimmer?
Wann hat das eigentlich angefangen, dass wir jeden Tag unsere Schritte zählen? Oder einer App abends anvertrauen, wie es uns heute so psychisch ging? Oder nach Feierabend noch zusammen im Büro Sport machen, damit die Rückenschmerzen morgen nicht noch schlimmer werden?
Viele von uns nehmen Teil an Maßnahmen zur sogenannten "Selbstoptimierung": Wir messen freiwillig unsere Körperdaten, um sie dann zu "optimieren". Aber warum? Die einen sagen, weil wir so zufriedener und gesünder werden. Die anderen sagen, dass wir uns bloß unter Druck setzen, im Alltag noch besser funktionieren und noch mehr leisten zu müssen.
Ist Selbstoptimierung nun ein Mittel gegen Überlastung – oder macht sie unsere Überlastung sogar noch schlimmer? Darüber diskutieren die Verhaltensforscherin Prof. Dr. Susann Fiedler und die Komikerin Helene Bockhorst in unserem Video-Podcast.
"Ich bin schon gespannt, was wir für neue steile Thesen heute auseinandernehmen dürfen", sagt Helene am Anfang dieser Folge. Wie immer wissen weder sie noch Susann vorab, welche Sozialklischees sie erwarten. Die erste steile These dieser Folge heißt 'Selbstoptimierung macht uns zufriedener und stressresistenter!'
Susann atmet erstmal tief aus, diese These hat es aus Sicht der Wissenschaftlerin offenbar in sich: "Ich habe das Gefühl, das Thema ist mega gehyped. Es ist gar nicht mehr überschaubar, an welchen Stellen im Leben man mit Selbstoptimierung konfrontiert wird: Jeder hat seinen Schrittzähler an der Hand, die nächste Diät, das ständige Nachdenken, wie man sich 'boosten' kann, das ist alles in den letzten Jahren viel stärker geworden."
Helene nickt heftig. Sie sehe überall Zeitschriftentitel wie 'Jetzt noch besser durchstarten!' oder 'Nimm dein Leben in die Hand!'. Selbstoptimierung sei ein Trend, der immer mehr in alle Ecken des Lebens vordringe. Wie zum Beweis hält Helene ihr eigenes Fitness-Armband in die Kamera.
Entweder du fühlst dich besser – oder wie ein Versager
In der Psychologie sehe man durchaus positive Effekte, wenn wir bewusster darauf achten, wie es uns körperlich und mental geht, ordnet Susann die erste These ein. "Das ist ein bisschen wie in der Pandemie: Wir wollen alles messbar machen. Alles wird so optimiert, dass wir es in Kurven abbilden und dann abhaken können, was wir alles erreicht haben." Das könne uns tatsächlich zufriedener machen.
Dann fügt Susann ein großes 'Aber' hinzu: "Das macht auch jeden Schritt sichtbar, den man nicht schafft. Das wird einem wie eine Art Versagen vor Augen gehalten und löst ein Gefühl von Schuld aus, das sehr unangenehm ist."
Helene kennt das von sich selbst: Ihr Fitness-Armband bescheinigt ihr, dass sie zu den vierzig Prozent der Menschen mit der schlechtesten Herzratenvariabilität gehöre – dabei "weiß ich nicht mal, wozu man diese komische Herzfrequenz braucht. Aber jetzt habe ich den dummen Wunsch, mich da zu verbessern." In dem Moment werde die Selbstoptimierung zum Selbstzweck, findet Helene. "Ich glaube, das ist es, was einen unzufriedener macht."
Helenes Beispiel offenbart auch: Nur weil eine Eigenschaft zwischen zwei Menschen vergleichbar ist, ist sie noch lange nicht veränderbar! Helenes Herzratenvariabilität ist vielleicht einfach vererbt – oder wie Susann es im Podcast sagt: "Da hast du wohl in der genetischen Lotterie ein bisschen die Zonkkarte gezogen!"
Was hat das mit Grundeinkommen zu tun?
Das spielt auf ein Dilemma an, dass wir nur zu gut aus allen Debatten zu sozialer Gerechtigkeit kennen: Wir tun so, als hätten alle dieselben Startchancen ins Leben. Damit rechtfertigen wir den Anspruch, dass jeder Mensch seinen sozialen Aufstieg selbst in der Hand habe: Du musst es nur wollen! Und wenn es nicht klappt, dann hast du es nicht richtig versucht!
Dieser Anspruch macht Druck und führt am Ende immer zu Verzweiflung. Wir können uns nicht aussuchen, ob wir in eine arme oder eine reiche Familie geboren werden – genauso wenig wie man sich seine Herzratenvariabilität aussucht.
Natürlich ist beides nicht in Stein gemeißelt: Helene könnte ihr Fitness-Armband dazu bringen, ihr eine etwas bessere Herzrate anzuzeigen – wenn sie "joggen gehen wollen würde", wie sie lachend zugibt. Und auch soziale Gerechtigkeit ließe sich mit einem Sozialsystem optimieren, das allen dieselben Startchancen bietet. Wir hätten da ja eine Idee...
Ein toller Nebeneffekt wäre, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle offenbar für viel mehr Zufriedenheit und Stressresistenz sorgen könnte als jedes Selbstoptimierungs-Programm. Sagen nicht Helene und Susann – sondern unsere mehr als 1.300 Gewinner*innen, die es ausprobiert haben.
Wo wir gerade über Geld sprechen: Die zweite These, die Helene und Susann diskutieren, ist: 'Höher, schneller, weiter – Selbstoptimierung braucht den passenden Geldbeutel!' Ob das stimmt – und was es mit den Fitness-Videos von Pamela Reif zu tun hat – erfährst du nur, wenn du die "Steilen Thesen" anschaust oder anhörst.
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Die nächste Folge erscheint am Donnerstag, 4. Mai. Darin fragen sich Susann und Helene, warum wir zwar alle wissen, dass die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinandergeht – aber das Wort "Umverteilung" trotzdem für viele ein rotes Tuch ist?
Was denkst du? Machst du mit bei der Selbstoptimierung? Wie stehst du zu unseren "Steilen Thesen"? Schreib es uns in die Kommentare!
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