Wir alle kennen diesen Smalltalk: “Und was machst du so?”. Fast immer bezieht sich die Frage direkt auf unseren Job oder unsere Ausbildung. Bei vielen von uns ist der Beruf so stark Teil der eigenen Identität, dass wir uns nicht nur darüber definieren, sondern auch Andere danach bewerten. Grundeinkommen hinterfragt diese Vorstellung und macht nicht nur unbezahlte Arbeit sichtbar und anerkannt, sondern ermöglicht uns ein neues Verständnis von Arbeit, das uns motiviert und Selbstbewusstsein gibt.
Ich arbeite, also bin ich?
Der Begriff Arbeit ist weniger eindeutig als er auf den ersten Blick scheint. Das zeigt ein Blick in die Geschichte: Bis ins Mittelalter war Arbeit vor allem Mittel zum Zweck und galt als unwürdige Tätigkeit, welche Menschen aus unteren sozialen Schichten ausführen. Es wurde hauptsächlich in der Landwirtschaft gearbeitet und die allermeisten Menschen lebten wortwörtlich von der Hand in den Mund.
Vor allem die christliche Religion trug dazu bei, dass Arbeit immer positiver gesehen wurde. Spätestens mit der Reformation wandelte sich unsere Beziehung zur Arbeit und der Beruf wurde zur Berufung. Martin Luther behauptete sogar, wir seien zum Arbeiten geboren und sah es als Pflichterfüllung vor Gott. Diese Aufwertung von Erwerbsarbeit setzte sich durch und bereitete den Weg für die kapitalistische Industrialisierung unserer Gesellschaft.
Im Nationalsozialismus wurde der Arbeitsbegriff dann stark ideologisiert und mit dem Eingangsspruch der Konzentrationslager “Arbeit macht frei” auf den Gipfel der Geschmacklosigkeit getrieben. Auch in den sozialistischen Staaten gab es eine Verherrlichung des Arbeitsethos. So wurde zum Beispiel in der DDR seit 1950 der Titel “Held der Arbeit" vergeben. Die Verfassung der DDR kannte nicht nur ein Recht auf Arbeit, sondern enthielt sogar eine Arbeitspflicht.
Heutzutage ist Erwerbsarbeit das Hauptkriterium für gesellschaftliche Anerkennung und Prestige. Sie ist zu einer Instanz unserer Identität geworden: Ich arbeite, also bin ich. Die Kehrseite: Wer ohne bezahlte Arbeit ist, wird sozial und finanziell ausgeschlossen.
Schon die Suche nach einem Job ist Arbeit
Dass es nicht mehr “genug Arbeit” für alle geben wird, gilt für die meisten als sicher. Hilfe, die Roboter kommen! Aber warum ist das eigentlich schlimm? Dieser Furcht wohnt ein Denkfehler inne. Unsere Gesellschaft setzt Arbeit mit Erwerbsarbeit gleich! So werden Menschen, die sich um Haushalt und Familie kümmern, von unserem System erst als Arbeitende erfasst, wenn sie als Babysitter oder Reinigungskraft angestellt sind – also auch bezahlt werden. Dabei verbringen in Deutschland Erwachsene im Schnitt mehr Stunden pro Woche mit unbezahlter Arbeit (ca. 24,5) als mit Erwerbsarbeit (ca. 20,5). Frauen werden sogar für zwei Drittel ihrer Arbeit nicht bezahlt und damit auch nicht als Arbeitstätige anerkannt.
Für mich ist nicht entscheidend, ob man damit Geld verdient; es bleibt Arbeit, den Haushalt zu meistern, sich um Angehörige zu kümmern oder sich ehrenamtlich zu engagieren. Nicht nur, weil es Mühe erfordert, sondern auch, weil es volkswirtschaftlich relevant ist, dass diese Tätigkeiten ausgeführt werden. Und ganz ehrlich: Selbst die Suche nach einem Job ist schon Arbeit!
Grundeinkommen definiert Arbeit neu
Doch was wäre wenn Arbeit von Einkommen entkoppelt wäre? Wenn wir ein Bedingungsloses Grundeinkommen hätten?
Die alte Vorstellung von Arbeit würde aufbrechen, wenn wir bedingungslos monatlich unser Grundeinkommen ausgezahlt bekommen. Arbeit steht nicht länger vorrangig für Geld oder Existenzsicherung, sondern für ihre Tätigkeit selbst. Damit werden auch unbezahlte Tätigkeiten als Arbeit sichtbar.
Außerdem bekommt der Wert von Erwerbsarbeit eine neue Bedeutung. Ohne Existenzangst und die Abhängigkeit von unserem Arbeitseinkommen, erlangen wir genug Sicherheit und Selbstbewusstsein, um unsere Arbeitsverhältnisse nach unseren Bedürfnissen zu gestalten. Mit Grundeinkommen kommen wir nah an die Arbeit unter den Bedingungen, die wir wirklich wollen. Nicht das Einkommen, sondern die Arbeit selbst wird zur Motivation; eine Motivation, die aus unserem Inneren kommt. Sinn könnte der neue Lohn unserer Arbeit werden.
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