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Schenken ist eine heikle Sache: Wer das falsche Geschenk unter den Weihnachtsbaum legt, riskiert schnell die besinnliche Stimmung an Heiligabend. Dann lieber gar nichts schenken, sagen die einen. Schenken ja, aber bedingungslos muss es sein, sagen die anderen. Höchste Zeit herauszufinden, wie man "richtig" schenkt.
In meiner Familie läuft das mit dem Schenken so: Lange vor Weihnachten versichern wir uns gegenseitig, dieses Jahr nichts zu schenken. An Heiligabend bringt dann trotzdem jede*r für jede*n ein Geschenk mit. Und nach den Feiertagen versprechen wir uns hoch und heilig, dass nächstes Jahr "aber wirklich Schluss ist" mit den Geschenken.
So wird das bis in alle Ewigkeit weitergehen.
Warum kommen wir nicht los vom Schenkzwang, obwohl niemand von uns böse wäre, wenn es tatsächlich mal geschenkefreie Weihnachten gäbe? Einfach nur, weil es uns peinlich wäre, vielleicht als einzige*r ohne Geschenk dazustehen? Oder steckt hinter dem Akt des Schenkens mehr, als uns bewusst ist?
Wir haben uns in diesem Advent viel mit den schönsten Seiten des Schenkens befasst. Jetzt, so kurz vor der Bescherung, wollen wir wissen, warum richtiges Schenken so schwierig ist – und ob es eigentlich auch anders ginge.
(Fast) alle schenken gerne
Wenn man Menschen fragt, ob sie lieber Geschenke bekommen oder Geschenke machen, erhält man verblüffende Antworten: In der Mein Grundeinkommen-Crowd sind sich mehr als die Hälfte einig, dass beides gleich schön ist. Und der größte Teil der anderen Hälfte findet das Schenken sogar schöner als das Beschenktwerden. Nur mickrige vier Prozent bekommen am liebsten Geschenke, schenken aber selbst nicht so gerne.
Okay, unsere Crowd ist sicher nicht repräsentativ: Sie besteht zu einem guten Teil aus Crowdhörnchen, die es gewohnt sind, gerne zu geben, ohne dafür unbedingt eine Gegenleistung zu erwarten. Aber bei über 2.500 Antworten in unserer kleinen Weihnachtsumfrage kann man von einer klaren Tendenz sprechen.
Beim Büroklatsch bestätigt sich das. Auch meine Kolleg*innen schenken für ihr Leben gerne: "Ich persönlich mache lieber Geschenke, als dass ich beschenkt werde. Und am liebsten auch solche, die nicht schon vorher auf einem Wunschzettel standen", erzählt mir Doro. Und warum? "Ich liebe es, die Überraschung und Freude in den Gesichtern der Beschenkten zu sehen!"
Schenken, um Vertrauen zu zeigen – oder Macht
Die Forschung kennt noch ein paar andere Gründe, warum wir so gerne schenken – die uns aber viel weniger bewusst sind: Geschenke wirken als vertrauensbildende Maßnahme, erklärt die Kultursoziologin Elfie Miklautz: "Das Schenken ist eine initiative Geste, um dem anderen ein Beziehungsangebot zu machen."
Aber das Schenken kann auch Ausdruck eines Machtgefälles zwischen den Schenkenden und den Beschenkten sein. "Eigentlich geht man ja davon aus, dass ein Geschenk eine uneigennützige Geste ist, mit der wir es eben nicht darauf anlegen, dafür etwas zurückzubekommen. In Wirklichkeit geht es aber genau darum auch", sagt Miklautz.
Zwar sei die unbewusst erwartete Gegenleistung meist nur der Dank für das Geschenk. Aber selbst wegen dieser vergleichsweise geringen Erwartung ist das Schenken schon nicht mehr so bedingungslos, wie wir uns das oft einreden.
"Einem fremden Bettler einen Geldschein zu schenken, kann bedingungslos sein. Es kann aber auch aus dem Wunsch heraus geschehen, dafür ein gutes Gewissen zurück zu bekommen", erklärt der Soziologe Helmuth Berking.
Sobald die erwartete Gegenleistung über den Dank hinausgeht, wird das unbewusst zur Schau getragene Machtgefälle größer – und dann unerträglich groß, wenn man beschenkt werde, aber nicht adäquat erwidern könne, sagt Elfie Miklautz.
Wie immer geht es auch ums Geld
Unsere Weihnachtsumfrage zeigt, wie groß das Gefälle beim Geschenkebudget sein kann. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass es Stress auslöst, wenn an Weihnachten Menschen zusammen feiern, von denen manche mehr als 300 Euro für Geschenke ausgeben, während andere gar kein Geld für Geschenke übrig haben.
Schenken ist aus Sicht der Forschung also ein ziemlich folgenschwerer Akt. Es kann Scham auslösen, nicht so viel Geld für Geschenke ausgeben zu können wie alle anderen. Oder Sorge, die anderen zu enttäuschen, weil man ihre Erwartungen an die eigenen Geschenke falsch eingeschätzt hat. Oder Druck beim Geschenkekauf, nur mit der perfekten Idee diese Enttäuschung zu vermeiden. "Die tiefere soziale Bedeutung von Geschenken ist auch das, was viele Menschen an Weihnachten als Stress empfinden", bestätigt Helmuth Berking.
Wem nichts davon bekannt vorkommt, kann sich glücklich schätzen. Denn Schenken ohne irgendeine – bewusste oder unterbewusste – Erwartung sei eine Seltenheit, sagt Elfie Miklautz: "In der subjektiven Wahrnehmung gibt es das, objektiv betrachtet gibt es das nicht."
Keine Geschenke sind auch keine Lösung
Wäre es nicht das beste, die sozialen Tücken des Schenkens zu umgehen, indem man es einfach sein lässt – so wie es sich meine Familie alljährlich vornimmt?
Mein Kollege Paul denkt zumindest darüber nach: "Als Kind war mir das Geschenke kriegen immer einer der wichtigsten Punkte an Weihnachten. Mittlerweile empfinde ich das Geschenke schenken eher als Ritual und Bürde." Aber den Kindern in seiner Familie und den Menschen mit wenig Geld, die sich etwas sonst nicht leisten könnten, schenkt er weiterhin gerne.
Die Soziologin Elfie Miklautz hält wenig vom Verzicht auf das Schenken: "Geschenke bereichern ja unsere Beziehungen, weil damit ein Moment von Beglückung verbunden sein kann. Und wir möchten nun mal überrascht und beglückt [...] werden. Wir brauchen Wertschätzung und Anerkennung."
Nichts zu schenken wäre ein gegenseitiger "Nicht-Angriffspakt", der uns auch dieser positiven Effekte berauben würde. Miklautz: "Da schlicht darauf zu verzichten, das würde die Welt ein Stück kälter machen."
So wird das Schenken bedingungslos(er)
Die Soziologie schlägt stattdessen vor, noch bewusster zu schenken: Wer sich darüber im Klaren ist, wie ein Geschenk oder die Reaktion auf ein Geschenk wirken können, wählt beides viel bedachter aus.
Unsere Geschenke sollten schlicht keine Erwartungen an die Beschenkten transportieren: "Viele Geschenke sind an unserer Wunschvorstellung vom anderen orientiert. Das ist eine selbstbezogene Art des Schenkens", sagt Elfie Miklautz. Besser wäre, sich beim Geschenke kaufen oder basteln darauf zu konzentrieren, was die Beschenkten sich wirklich wünschen.
Yvonne aus dem Mein Grundeinkommen-Team fährt schon lange gut mit dieser Taktik: "Gutes Zuhören ist wichtig. Je besser man eine Person kennt, desto besser geht das. Ich laufe rum und denke meine Freunde immer mit. Vielleicht ist das sogar wichtiger für mich als für die Menschen, die ich beschenke."
Auch ein guter Rat: Der Bescherung einfach nicht die Hauptrolle an Weihnachten überlassen! Stattdessen mehr Energie in die Aspekte des Festes investieren, zu denen alle auf Augenhöhe beitragen können: die gemeinsame Zeit, gute Gespräche und geteilte Erlebnisse.
"Ich rate zu größtmöglicher Entspanntheit", sagt die Soziologin Elfie Miklautz. "Man kann den Stress notfalls ja auch als eine Art Opfergabe für die Beziehung zum anderen sehen." Und sich möglichst schnell auf die Dinge konzentrieren, die wichtiger sind als die vergebliche Jagd nach dem perfekten Geschenk.
Meine Kollegin Doro, die selbst so gern schenkt, sieht das ähnlich: "Geschenke stehen für mich natürlich nicht im Mittelpunkt. Die gemeinsame Zeit mit der ganzen Familie ist für mich viel schöner. Wir essen gemeinsam, quatschen und regen uns über die Politik auf, spielen Sechs nimmt! mit viel Geschrei und Schadenfreude."
Schöne Bescherung
Werde ich unseren Familienplan nun endlich durchziehen und dieses Jahr keine Geschenke mehr unter den Weihnachtsbaum legen? Nein. Weil auch bei mir die Freude am Schenken größer ist als der Stress davor. Werde ich genauer darauf achten, was ich schenke und was ich unbewusst erwarte, wenn ich Geschenke mache? Auf jeden Fall.
Und wenn alle außer mir dieses Jahr ohne Geschenke zur Bescherung kommen? Dann bleibe ich entspannt und summe "Bedingungslose Weihnacht überall" vor mich hin.
Sag uns gerne in den Kommentaren, ob du den Stress mit dem Schenken nachvollziehen kannst – und wenn nicht, wie du ihn überwunden hast. Wir freuen uns auf deine Meinung!
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