Zu Besuch bei Gewinnerkind Apuan an einem Nachmittag im Spätsommer. Stolz präsentiert er, was er sich so lange wünschte: seinen eigenen Laptop, endlich! Als Apuan im Mai 2018 sein Grundeinkommen gewann, hatte er einen Wunsch: “Ich will Youtuber werden.” Und ist er das schon? “Nein, noch nicht, weil ich noch nicht alt genug bin”, erklärt er. Er müsse sich einfach noch ein bisschen gedulden. Bis es soweit sei, lerne er eben, verantwortungsbewusst mit dem neuen Medium umzugehen. Kurz stolpert er über den Zungenbrecher verantwortungsbewusst, was er aber charmant überspielt.
Apuans Eltern Inga und Josias haben es sich in ihrer kleinen Wohnung im Süden Berlins gemütlich gemacht. Artefakte aus fernen Ländern machen neugierig und sind Hinweise auf ihre Verbindung zu anderen Kulturen. Die satt gelben Wände fangen die spätsommerliche Stimmung ein. “Zuhause in Brasilien bekommen die Häuser traditionell jedes Jahr einen neuen Anstrich”, erzählt Josias. Er sitzt mit überschlagenen Beinen auf dem Sofa, die Lesebrille hat er sich auf den Kopf geschoben. “Wir haben hier auch mal ein dunkles Rot ausprobiert, aber das Klassische, das war einfach nichts für uns”, ergänzt Inga.
Klassisch ist die Familie wohl wirklich nicht, wenn man ihnen so zuhört. Inga und Josias sind Künstler - “Lebenskünstler”, schiebt Josias schmunzelnd ein - und verdienen ihren Lebensunterhalt mit ihrer Malerei und verschiedenen Projekten. Sie wagen, was sich viele in ihrem Bekanntenkreis nicht trauen. Empfinden sie sich als mutig? “Total. Kunst ist Mut.”, bestätigt Josias. “Und man muss wirklich Masochist sein, um das weiterzumachen. Wir haben schon ein paar mal gesagt, dass wir mit der Kunst aufhören müssen. Aber der Gedanke war zu schrecklich.” Inga nickt. Weil das Geld knapp ist, gibt Josias neben seiner Malerei noch Museumsführungen für Kinder. Inga promoviert zur afro-brasilianischen Religion Umbanda, der sie selbst angehört, seit sie mit Josias in Brasilien lebte. Ihr Idealismus zieht sich wie ein roter Faden durch ihren Alltag.
Und welche Rolle spielt da das Grundeinkommen? “Der Gewinn des Grundeinkommens hat mich unheimlich in unserem Lebensstil bestätigt und in meinem Gefühl, dass wir das doch zusammen schaffen können”, sagt Inga. Die vergangenen Jahre waren nicht einfach für die Familie. Inga war schwer krank und sowohl sie als auch Josias hatten mit dem Jobcenter zu kämpfen.
“Es geht ja nicht darum, dass wir alle reich werden.”
“Ich werde von vielen Seiten kritisiert, weil ich trotz kleinem Einkommen für wohltätige Zwecke spende”, bedauert Inga, fährt aber umso begeisterter fort: “Ich bin zum Beispiel schon lange Crowdhörnchen. Wenn ich so etwas sehe wie Mein Grundeinkommen, dann weiß ich: Wow, es gibt Menschen, die denken wie ich!” Sie spricht mit Überzeugung, ihre Augen leuchten. “Es geht ja nicht darum, dass wir alle reich werden. Sondern, dass wir würdevoll leben können und dass unsere Wohnung klein und kuschelig und eben unsere ist. Das ist für mich Mein Grundeinkommen. Das ist die Idee.”
Und was sagt Apuan dazu? Schließlich hat er das Grundeinkommen gewonnen, auch wenn das Geld auf das gemeinsame Familienkonto geht. “Es ist schon komisch, dass man gewinnt und dann die Eltern die Regeln machen”, stellt er fest.
Josias erläutert: “Das Grundeinkommen ändert ja nichts an unserer Familienstruktur. Wir entscheiden wichtige Dinge zusammen. Wir stehen total hinter Apuan. Er hat volles Recht auf das Grundeinkommen. Aber wir schauen trotzdem erst, was mit seinen Wünschen verbunden ist, damit wir keine Dummheiten begehen.” Er richtet seine Worte merklich, aber geduldig, an Apuan. Es beginnt eine kleine Diskussion über dessen Wunsch nach einem Hund, die er allerdings vorläufig verliert.
“Man traut den Menschen etwas zu”
Hat das Grundeinkommen denn gar nichts verändert? “Doch. Meine Eltern sind lässiger unterwegs und machen sich nicht mehr so viele Sorgen ums Geld”, sagt Apuan. Die kleine Familie gehe jetzt auch öfter mal zusammen um die Ecke Pizza essen. Inga und Josias vergleichen den Gewinn des Grundeinkommens vor allem mit der Zeit, in der sie Hartz IV erhielten. “Ich finde das Bedingungslose Grundeinkommen politisch überzeugend. Man traut den Menschen etwas zu. Man kontrolliert sie nicht mit der Unterstellung, dass man Blödsinn macht”, argumentiert Inga. Josias pflichtet ihr bei: “Im Jobcenter bist du irgendwas, nicht mal mehr Mensch. Du bist eine Statistik.” Was genau er damit meint, erklärt Inga genauer: “Mich haben sie damals, als ich Chemotherapie hatte, immer wieder eingeladen. Irgendwann habe ich sie dann damit konfrontiert, dass ich nicht mal weiß, ob ich den nächsten Tag überlebe! Man wird in Schubladen sortiert und muss sich ständig hinterfragen, wer man eigentlich ist.” Sie wirkt gefasst, aber das Thema hat Spuren hinterlassen.
Bei allem, was sie zusammen durchgemacht haben, wissen sie mittlerweile ganz genau, wer sie sind: “Wir haben immer weitergemacht. Und jetzt mit dem Grundeinkommen haben wir es auf jeden Fall leichter auf dieser Achterbahnfahrt. Wir würden auf keinen Fall etwas ändern an unserem Leben. Wir machen genau das, was wir wollen. Und jetzt haben wir die Möglichkeit, ein bisschen Ruhe einkehren zu lassen und genau damit weiterzumachen”, strahlt Inga. Apuan verdreht die Augen, Erwachsenengespräche. Hat er seinen Freunden eigentlich von seinem Grundeinkommen erzählt? “Nee, es gibt bessere Themen, über die man reden kann als Geld”, ist er überzeugt und huscht zurück in sein Zimmer. Der Laptop wartet schon.