Das konnten wir selbst kaum glauben: Franzi und ihre Familie gewinnen zehn Monate nach Ende ihres ersten Grundeinkommensjahres noch einmal. Ist das zweite Grundeinkommen anders als das erste? Wir haben Franzi gefragt.
Franzi, wenn das jemand weiß, dann du: Kann man sich ans Grundeinkommen gewöhnen?
Franzi: Nein, man gewöhnt sich nicht daran. Jeden Monat, wenn die Überweisung kommt, starre ich fassungslos auf diese Zahl und alles, was sie bedeutet. Da denken sich ein paar Leute: "Komm, wir machen jetzt die Welt besser", noch ein paar mehr Leute finden das gut und geben Geld dafür – und dann trifft es mich gleich zweimal. Das ist und bleibt der Wahnsinn!
Du hast 2018 schon ein Jahr lang Grundeinkommen erhalten. Ein knappes Jahr danach haben wir dich wieder ausgelost. In welcher Situation warst du da?
Franzi: Das Grundeinkommen kam für meinen Mann Lars und mich, als ich kurz vor der letzten Elterngeldzahlung anfing zu überlegen, wie ich wieder ins Berufsleben einsteigen könnte. Das war beim ersten Gewinn übrigens genauso.
Wie schwierig war für euch damals der Spagat zwischen Elternsein und beruflicher Laufbahn?
Franzi: Als ich nach fünf Jahren unerfüllten Kinderwunsches den positiven Schwangerschaftstest in der Hand hielt, weiß ich noch, dass ich als Erstes dachte: "Bitte nicht jetzt!" statt mich zu freuen. Das macht dieses System mit uns. Unfassbar, oder? Mein befristeter Arbeitsvertrag wurde wegen der Schwangerschaft natürlich nicht verlängert. Und auch Lars wurde nach der Elternzeit gekündigt.
Das klingt nach existenziellen Sorgen in der Lebensphase, in der man doch am meisten Sicherheit bräuchte?
Franzi: Uns ging es finanziell nie besonders gut. Durch zwei Studienkredite und eine gescheiterte Selbstständigkeit hatten wir immer so viele Schulden abzuzahlen, dass wir uns keine großen Sprünge leisten konnten. Es gab Zeiten, in denen wir auf Hartz IV und familiäre Unterstützung angewiesen waren. Das bedeutet schlaflose Nächte und endlose Sorgen.
Magst du erzählen, was bei eurer Selbstständigkeit schief gelaufen ist?
Franzi: Wir hatten eine eigene Stickerei. Als unsere gebrauchte Stickmaschine kaputt ging und wir ein Ersatzteil bestellen wollten, stellte sich heraus, dass derjenige, der uns die Maschine verkauft hatte, seine Raten nicht an den Hersteller bezahlt hatte. Wir haben also jahrelang mit einer sozusagen gestohlenen Maschine gearbeitet, ohne es zu wissen.
Ohne die Stickmaschine konnten wir nicht weitermachen. Lars und ich geben aber die Hoffnung nicht auf, irgendwann wieder etwas zusammen zu machen, in welcher Konstellation auch immer. Denn selbst ein ganz normaler Arbeitstag getrennt voneinander ist irgendwie hart für uns.
Wir haben festgestellt, dass es beim Grundeinkommen auch um die Gefühle geht, die es auslöst. Was ist dein Grundeinkommensgefühl?
Franzi: Das ist wie "frisch verliebt sein". Man schwebt über allem, nichts kann einen runterziehen. Ich war erfüllt von etwas, das ich wohl zuletzt als Teenie gespürt habe: Vorfreude. Der Zukunft positiv entgegen sehen zu können, ist ein unbeschreiblicher Schatz.
Die Grundeinkommens-Erfahrung hat aber noch ein essenzielles Gefühl ausgelöst, das ich unbedingt behalten möchte: Sicherheit. Ich darf mich getragen wissen. Es geht immer weiter und wird immer besser. Das fühlt sich einfach richtig an. Als wäre man plötzlich ein ganzer, ernstzunehmender Mensch, weil man finanziell frei ist. Vielleicht spürt man das umso mehr, wenn man wie wir schon die absolute Abhängigkeit als Hartz-IV-Empfänger*in erlebt hat.
Gibt es eigentlich verschiedene Phasen, durch die man während des Grundeinkommensjahres geht?
Franzi: Oh ja! Erst kommt die Euphorie, die "Alles ist möglich"-Phase. Dann Entspannung und ein bisschen "Dolce Vita". Und im letzten Vierteljahr dann so langsam die Phase der Anspannung und das Grübeln, ob man vielleicht mehr hätte sparen sollen.
War das in beiden Grundeinkommensjahren gleich oder hat sich beim zweiten Mal etwas verändert?
Franzi: Das erste Grundeinkommen hat unsere Existenz gesichert. Das zweite Grundeinkommen konnten wir einfach mehr genießen.
Was heißt das konkret?
Franzi: Mit dem ersten Grundeinkommen konnten wir es uns leisten, von unserer schimmeligen Stadtwohnung in die Kleinstadt zu ziehen. Hier hat Lars inzwischen eine Arbeitsstelle, die ihn erfüllt und für die Kinder gibt es einen großen Kurpark, Wälder und viele Spielplätze in unmittelbarer Nähe.
Es war ein tolles Gefühl, neue Möbel kaufen zu können – und dabei nicht nur auf den Preis zu achten, sondern auch auf unseren Geschmack. Abgesehen davon haben wir Geld schon immer lieber für Dinge ausgegeben, die man macht, als für Dinge, die man hat.
Also mehr sein als haben. Hast du ein Beispiel für etwas Immaterielles, für das du das Grundeinkommen ausgegeben hast?
Franzi: Lars und ich haben in unsere Beziehung investiert. Zeit zu zweit ist der wichtigste Faktor für das Gelingen unserer Ehe. Wir haben eine wunderbare Babysitterin gefunden, dank der wir hin und wieder ein oder zwei freie Stunden genießen können. Aber auch unser Paar-Adventskalender oder einfach mal "Netflixen" waren früher nicht einfach so drin.
Dass Mama und Papa viel entspannter und fröhlicher sind als früher, können die Kleinen nicht wissen. Aber ich glaube, dass es trotzdem einen viel größeren Einfluss auf ihre Kindheit hat, als zwischendurch mal hier eine Kinder-Zeitschrift beim Einkaufen oder da ein Eis beim Spazierengehen.
Mit dem Grundeinkommen sind wir zum ersten Mal seit zehn Jahren – und damit natürlich auch das erste Mal als Familie – in den Urlaub gefahren. "Nur" an die Ostsee und "nur" eine Woche, aber für uns ein wahnsinniger Luxus. Und ein Anlass, unsere Prioritäten neu zu sortieren. Nach dem Grundeinkommen werden wir an anderen Ecken und Enden sparen, um öfter mal wegzufahren. Wir wollen unseren Kindern mehr von der Welt zeigen, damit sie verstehen, warum wir die Erde so lieben und sie erhalten wollen.
Das klingt, als würdet ihr sehr bewusst entscheiden, was und wie ihr konsumiert.
Franzi: Nachhaltiger Konsum ist ohnehin ein Thema für sich. Wir haben auch als Sozialhilfeempfänger*innen an manchen Dingen nie gespart. "Wir sind zu arm, um billig zu kaufen" ist ein sehr wahrer Spruch und, was zum Beispiel Essen angeht, immer unsere Maxime. Wir lieben es zu kochen. Erst recht, seit Lars sich vegan ernährt. Mit Grundeinkommen ist es natürlich einfacher als vorher, weil man nicht überlegen muss, ob die Kinder wirklich so dringend neue Schuhe brauchen und man dafür den ganzen Monat Pellkartoffeln essen möchte.
Gibt es denn Sachen, die du dir ganz persönlich mit dem Grundeinkommen gegönnt hast?
Franzi: Ja, natürlich. Jede Hausfrau und jeder Hausmann mit Kleinkindern wird mir beipflichten: Man arbeitet sich den ganzen Tag den Arsch ab und abends sieht’s dann meist trotzdem noch schlimmer aus als morgens. Mich hat das wahnsinnig gemacht. Ich brauchte eine Ablenkung davon. Deshalb habe ich angefangen zu häkeln – und schöne Wolle ist wahnsinnig teuer. Jetzt kann ich mir solche Kleinigkeiten leisten, die mich entlasten, mich glücklich machen – oder beides.
Hast du in den zwei Grundeinkommensjahren eigentlich häufiger "Ja" oder mehr "Nein" gesagt?
Franzi: Sowohl als auch. "Ja" natürlich zu Unternehmungen mit anderen, die vorher nicht drin gewesen wären. "Ja" auch zu vielem, das einfach glücklich macht, aber einem auch aus der eigenen Komfortzone hilft. Mit dem Unterschied, dass man es wirklich möchte und nicht das Gefühl hat zu müssen.
"Nein" zu einigem, was man sonst aus falschem Pflichtgefühl getan hätte, um jemanden nicht vor den Kopf zu stoßen. Es ist interessant, wie man automatisch, und ohne es zu wollen, seine zwischenmenschlichen Beziehungen völlig neu ordnet – um nicht zu sagen aussortiert. Es scheint, als hätte man durch dieses generelle Gefühl der Unabhängigkeit plötzlich die Kraft, auslaugende oder einseitige Beziehungen zu beenden – oder überhaupt als solche zu erkennen.
Danke für diesen intensiven Einblick, Franzi!
Franzi: Ich bin unendlich dankbar! Ich könnte Romane darüber schreiben, wie die Sicherheit durch das Grundeinkommen mein Leben, mein Mindset und meine Chancen verändert hat und würde doch nie alles erfassen können.
Ich würde es zusammenfassen mit: Ich kann. Ich bin viel organisierter, ordentlicher und tatkräftiger, weil ich nicht mehr den ganzen Tag den Kopf in den Sand stecke oder nicht weiß, wo ich anfangen soll. Ich mache, ich schaffe und ich erledige, weil ich kann. Es ist schwer in Worte zu fassen.