Wir wollten von euch wissen: Welchen der vielen möglichen Finanzierungswege zum Grundeinkommen haltet ihr für den besten? Eure Antwort war unmissverständlich. Aber was bedeutet sie? Und was machen wir mit dem Ergebnis?
Seitdem das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) belegt hat, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle finanzierbar ist, stellen sich ganz neue Fragen: Welchen der möglichen Wege wollen wir gehen? Und welche gesellschaftlichen Herausforderungen können wir damit lösen?
Aus der unendlichen Vielfalt der möglichen Wege haben wir euch vier vielversprechende Modelle präsentiert, die sich diesen Fragen über ganz unterschiedliche Ansätze und Schwerpunkte nähern. Dabei wollten wir wissen, welches Modell euch wirklich überzeugt und baten euch zur Abstimmung.
Eine heiß geführte Debatte
Wie ihr euch entschieden habt und warum, habt ihr in den letzten Wochen heiß in den Kommentaren unseres Magazins und auf unseren sozialen Kanälen diskutiert. Vielen fiel es schwer, sich auf eines der vier Modelle festzulegen. Andere wiederum wussten sofort, wo ihre Präferenz liegt.
Dabei wurden auch Themen angeschnitten, die ganz aktuell die Debatte in den Medien bestimmen. Nur ein paar Beispiele, über die wir viel diskutiert haben: Zuzi merkt in der Kommentarspalte unseres Magazins an, dass sie sich kein Modell wie unseren Vorschlag "CO2 stärker besteuern" vorstellen kann, da sie fürchtet, dadurch einer finanziellen Mehrbelastung ausgesetzt zu sein.
Andere Kommentare widersprechen, weil sie sich gerade dieses Modell gut vorstellen können: "Sozial und ökologisch wird immer noch zu selten zusammen betrachtet", kommentiert etwa Jeremy im Magazin. Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) eigne sich dafür sehr gut.
Auch beim Modell, das wir "Vermögen wieder besteuern" genannt haben, gehen die Meinungen auseinander. Lara kommentiert, sie "befürworte eine höhere Besteuerung von Vermögen, welches von den vermögenden Personen selbst zu Lebzeiten nicht erarbeitet wird oder wurde." Außerdem spricht sie sich für eine "stärkere Regulierung und Kontrolle von ’Unternehmensvermögen’" aus.
Das sehen natürlich nicht alle so, die sich an dieser Debatte beteiligt haben. Kuredu fürchtet im Magazin, dass eine Unternehmenssteuer auch die träfe, die "nicht nur Geld scheffeln", sondern in ihre Angestellten und bessere Arbeitsbedingungen investieren.
Viele sprechen sich auch für unseren Vorschlag eines "Ausgewogenen Steuermixes" aus, mit dem wir alle Ansätze der anderen Modellen kombinieren. Bei YouTube schreibt jemand mit dem Profilnamen samreciter dazu: "Ich denke, die Lasten zu verteilen, entspricht einfach am besten dem BGE-Gedanken: Alle halten zusammen."
Der Tag der Entscheidung
Beim Kongress der Gesellschaft am vergangenen Samstag in Frankfurt am Main hören wir nochmal eindringliche Plädoyers von Expert*innen und aus der Gesellschaft, welchen Herausforderungen wir uns gemeinsam stellen müssen – und warum es Zeit für einen Wandel ist. Der Kongress heizt auch noch ein letztes Mal die laufende Abstimmung an: Rund 7.000 Stimmen gehen bis zur letzten Minute ein.
Dann steht es fest: Mimi und Micha aus dem Mein Grundeinkommen-Team verkünden gemeinsam mit Moderatorin Nadine Hadad live das lang erwartete Ergebnis der Abstimmung:
Mit dem vermeintlich einfachsten aller Wege zum Grundeinkommen für alle, einer reinen Einkommensteuererhöhung, können die wenigsten etwas anfangen: Nur 4 Prozent von euch sprechen sich dafür aus.
Auch der Finanzierungsweg über eine stark angehobene CO2-Steuer wird von der Masse eher kritisch gesehen: Nur etwa 7 Prozent von euch stimmen dafür ab.
Deutlich mehr Zuspruch erfährt die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer: 36 Prozent von euch sehen darin Potenzial für mehr ausgleichende Gerechtigkeit. Warum wir in Deutschland die Vermögenssteuer überhaupt ausgesetzt haben, könnt ihr übrigens in diesem Artikel von Jannes nachlesen.
Mit reichlich Abstand stimmt ihr für ein Modell, das die drei anderen kombiniert. Immerhin 53 Prozent von euch hat der "Ausgewogene Steuermix" überzeugt.
Warum ausgerechnet dieses Modell?
Beim Kongress der Gesellschaft versuchen sich Micha und Mimi, die seit mehr als einem Jahr an der Finanzierungsfrage arbeiten, an einer Einordnung. Was könnte den Ausschlag für dieses Modell gegeben haben?
Micha sieht den hauptsächlichen Vorzug in der hohen Umsetzbarkeit des Modells: "Diese Mischung ist schlau, weil sie auf verschiedene Steuern setzt, die dann jeweils nicht so hoch steigen müssen. Es sind politisch machbare Größenordnungen – und deswegen führt es uns ein Stück weit näher an die Realität ran."
Dass dieses Ergebnis von den Menschen ganz bewusst und nicht etwa als Verlegenheitsentscheidung gewählt wurde, ist sich Mimi sicher. In der Wahrnehmung der Gesellschaft hingen alle gesellschaftlichen Herausforderungen eben eng miteinander zusammen: "Wir können Klima nicht ohne Soziales lösen, wir können Armut nicht abschaffen, ohne Menschen mit sehr viel Geld reinzuholen. Dafür steht dieses Modell für mich."
Das Endergebnis der Abstimmung scheint also für den mehrheitlichen Wunsch zu stehen, mit der Finanzierung des Grundeinkommens auch mehrere Ungleichheiten gleichzeitig zu adressieren. Eine Dringlichkeit, die wir auch selbst verspüren.
Was machen wir mit dem Ergebnis?
Mit dem Kongress der Gesellschaft haben wir die Debatte über die realistische Finanzierung eines Bedingungslosen Grundeinkommens für alle neu angeschoben. Aber damit ist es natürlich nicht getan. Sie muss jetzt fortgesetzt, vertieft und in eine klare Vision übersetzt werden.
Das wird auch bereits beim Kongress deutlich: Als Moderatorin Nadine Hadad Micha und Mimi fragt, wann wir denn nun eine tatsächliche Einführung des Grundeinkommens erwarten könnten, geben die beiden ganz unterschiedliche Antworten: Während Micha die Frage stellt, ob das Grundeinkommen quasi über Nacht kommen könnte oder sich eher in vielen kleinen Schritten vollziehen wird, zeigt sich Mimi zuversichtlich, dass der Moment, in dem sich alle Parteien für unterschiedliche Grundeinkommensmodelle aussprechen, bald kommen könnte.
Wer von beiden recht hat oder ob es doch ganz anders kommen wird – fest steht so oder so, dass wir bis dahin noch mehr Klarheit brauchen, welcher Weg zum Grundeinkommen die beste Wirkung für unsere Gesellschaft als Ganzes hätte.
Deshalb nehmen wir das Ergebnis der Abstimmung nicht als Ende einer Debatte, sondern als Auftakt: In den kommenden Monaten werden wir die Wirkung des Grundeinkommens für alle auf die Herausforderungen unserer Zeit noch besser erforschen, erklären und diskutieren.
Den Anfang machen wir mit dem Modell, für das ihr euch mehrheitlich ausgesprochen habt: dem "Ausgewogenen Steuermix". Natürlich in der Art und Weise, die ihr von uns kennt: konstruktiv, kritisch, aus vielen Blickwinkeln und immer nah am echten Leben.
Du hast den "Kongress der Gesellschaft" in Frankfurt am Main verpasst? Kein Problem! Du kannst den ganzen Kongress hier in Ruhe nachschauen – oder auch nur seine Höhepunkte und die wichtigsten Ergebnisse für eine Zukunft mit Grundeinkommen für alle verfolgen.
Was denkst du? Überrascht dich das Ergebnis? Wie hättest du abgestimmt? Und welche Frage zur Finanzierung des Grundeinkommens haben wir bislang vielleicht vergessen? Schreib es uns in die Kommentare!
Das könnte dir auch gefallen
Der Countdown zum Kongress
Wir zeigen dir, was du im Livestream nicht gesehen hast