Geschichte wiederholt sich - und wir können Lehren aus der Vergangenheit ziehen, um die zunehmende Ungleichheit der Gegenwart zu bekämpfen. Wirf mit Jannes einen Blick auf die Parallelen zwischen den Krisen der 80er Jahre und den Herausforderungen unserer Zeit.
Die Antworten, die wir auf die Krisen unserer Zeit finden, bestimmen unsere Zukunft. Das klingt dramatisch, aber genauso ist es. Es lohnt sich also, ganz genau hinzusehen. Und auch, den Blick zurück zu wagen!
Denn Krisen gab es schon immer. So zum Beispiel auch vor etwas mehr als 40 Jahren, als Deutschland – genau wie dieser Tage – eine große Energiekrise erlebte. Die zweite Ölkrise hatte Anfang der 1980er Jahre nicht nur eine globale Schuldenkrise mitverantwortet. Sie hat auch ganz wesentlich die bis dahin schwerste Rezession innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgelöst.
Die damaligen Regierungsparteien FDP und SPD entfremdeten sich daraufhin in wesentlichen Fragen rund um Arbeitslosigkeit, Inflation und Staatsschulden voneinander – nachdem sie gemeinsam weit mehr als ein Jahrzehnt an der Macht gewesen waren. Es gibt viele Parallelen zwischen der vorerst letzten Koalition zwischen SPD und FDP vor über 40 Jahren und der heutigen Regierung unter erstmaliger Wiederbeteiligung beider Parteien.
Die Sozialdemokratie ist tot – lang lebe die Sozialdemokratie!
Hier kommt (m)eine Hypothese: Damals ist die Sozialdemokratie schwer erkrankt – und dann eines langsamen Todes gestorben. Denn auch, wenn wir heute wie damals eine Partei an der Regierung haben, die die Sozialdemokratie im Titel trägt, ist nicht mehr viel von dieser übrig.
Und auch wenn dieser Text keineswegs der erste ist, der behauptet, die Sozialdemokratie sei tot, sollte man sich fragen, was das eigentlich bedeutet: für uns, unsere Gesellschaft und die Krisen, in denen wir leben. Und natürlich für unsere Zukunft.
Alte Ideen können durchaus neue Probleme lösen. Und das Beste daran, bei all der vermeintlichen politischen Alternativlosigkeit, die uns heutzutage begegnet – sogar ohne auf neue Ideen kommen zu müssen!
Sozialdemokratie bedeutet übrigens, dass der Staat die Verantwortung übernimmt für soziale Gerechtigkeit und Solidarität, und zwar mit einer klaren Haltung: indem er die Ursachen sozialer Ungleichheit beseitigt.
Die Krisen der letzten Jahre haben sich für die Reichsten gelohnt
Heute wachsen hohe Einkommen stetig weiter, während niedrige stagnieren – durch die Inflation sinken diese niedrigen Realeinkommen also de facto sogar deutlich. Und hohe Einkommen führen auch zu größeren Vermögen, klar.
Nur: Seit langem schon sind auch Vermögen an sich schon große Treiber von Ungleichheit. Sie werden gewinnbringend genutzt und ermöglichen darüber hinaus großen politischen Einfluss im eigenen (Vermögens-)Interesse.
Die Krisen der letzten Jahre haben sich für die Reichsten ganz besonders gelohnt. Hier in Deutschland konnten die Milliardär*innen allein während der Corona-Pandemieüber 100 Milliarden Euro zusätzliches Vermögen aufbauen.
Unser Thema Das Ende der Ungleichheit stellt die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich in den Vordergrund – und blickt auf verschiedene Möglichkeiten, diese zu überwinden.
Die Stelle, an der der Staat dann entscheidend ins Spiel kommt, sind die Steuern. Doch genau dort wird diese ungleiche Dynamik nicht bekämpft – sondern sogar weiter vorangetrieben.
Zum Vergleich: 42% Einkommensteuer zahlt man zwar schon ab etwas über 60.000 Euro Jahreseinkommen, aber eben auch, wenn man 250.000 Euro verdient. Der große Teil des Einkommens von Reichen wird zu deren Vermögen. Der große Teil der mittleren Einkommen und die kompletten unteren Einkommen gehen für den Lebensunterhalt drauf.
Der Staat ist im Krisenmodus und Reiche können derweil feiern
Wenig zielgerichtete Entlastungspakete offenbaren, dass wir keine krisenfeste Gesellschaft sind. Politische Pflaster auf die immer wieder und weiter aufgehenden Wunden der Krisen unserer Zeit: Die symptomatische Bekämpfung eines systemischen Problems hilft nicht bei der nachhaltigen Gesundung einer angeschlagenen Gesellschaft.
Damals war innerhalb der letzten großen Steuerreform von 1974 das Erbschaftsteuergesetz explizit mit dem vorrangigen Ziel angepasst worden, die Steuergerechtigkeit zu erhöhen. So waren Steuer-Schlupflöcher für Familienstiftungen und Vereine geschlossen worden.
Und ganz entscheidend: Es gab keine Befreiungen bei Betriebsvermögen.Wohingegen genau diese beiden Mechanismen heute vor allem genutzt werden, um die Erbschaftssteuer zu umgehen.
In den 1960er und 1970er Jahren, dem Höhepunkt der Sozialdemokratie in der Bundesrepublik, ging die Ungleichheit unter den Erwerbseinkommen deutlich zurück. So gleich sind die Einkommen in Deutschland nie wieder gewesen! Von damals bis heute ist die Lohnungleichheit extrem gewachsen.
Dieselbe extrem ungleiche Entwicklung sieht man umso deutlicher bei den Vermögen. Hier kommt passend dazu eine kleine historische Einordnung seit dem Kaiserreich:
Während Armut in den 40er und bis weit in die 50er Jahre in Deutschland noch den Großteil der Gesellschaft betraf, wurde sie spätestens in den 70ern von einer Frage des Überlebens zu einer Frage des angemessenen Lebens. Seitdem und bis heute bedeutet (relative) Armut, dass man weniger als 60% des mittleren Einkommens zur Verfügung hat.
Im Zuge der Krisen wurde der (Sozial-)Staat grundlegend verändert
Dieser Text sollte nicht missverstanden werden. In keinster Weise wünsche ich mir eine Zeit zurück, in der die meisten Kinder zuhause geschlagen wurden, Rassismus und Sexismus in allen Gesellschaftsteilen Normalität und Vergewaltigung in der Ehe keine Straftat war.
Doch im Zuge der Krise von damals wurden unser Staatsverständnis und der (Sozial-)Staat selbst grundlegend verändert. Die Auswirkungen spüren wir heute extrem; in Zeiten vieler Krisen ist die Gesellschaft in Deutschland ungleicher als jemals zuvor. Und die Mittel sowie die Antworten, die der Staat zu geben hat, reichen offensichtlich nicht aus, um die zunehmende gesellschaftliche Spaltung aufzuhalten.
Wir stehen wieder an einem Scheideweg. Und manchmal braucht es für neue Lösungen eben gar keine ganz so neuen Ideen.
Es geht nun wirklich nicht darum, dem Begriff der Sozialdemokratie zu einem Comeback zu verhelfen. Aber die Absicht zu zeigen, strukturelle Probleme mit strukturellen Lösungen zu bekämpfen – das dürfen wir von der Politik schon einfordern! Oder anders gesagt: Wir müssen Reiche stärker zur Kassen bitten, dringender als je zuvor.