Spätestens seit dem Start des Experiments in Finnland zu Beginn des Jahres ist das Grundeinkommen in aller Munde. Doch nicht nur dort, sondern weltweit beschäftigen sich immer mehr Menschen mit dem Grundeinkommen: Modelle werden getestet und Fragen zum Menschen, seiner Motivation zu arbeiten und seinem Verhältnis zu Geld aufgeworfen. Wir haben wir die aktuellen Entwicklungen für euch zusammengefasst.
Laufende Projekte
Niederlande: Die Rolle der Bedingungslosigkeit
300 Sozialhilfempfänger*innen, 900 Euro pro Monat: In den Niederlanden soll in den nächsten Monaten ein größeres Experiment gestartet werden, und zwar in Utrecht. Zweipersonenhaushalte erhalten dabei 1.300 Euro. Einigen Teilnehmer*innen des Experiments wird das Geld als Sozialhilfe, die an gewisse Bedingungen geknüpft ist, ausgezahlt. Andere erhalten das Geld ohne Einschränkungen bedingungslos. Diese dürfen das Geld behalten, auch wenn sie einen Job finden. So soll getestet werden, ob Menschen ohne Druck eher tätig werden und sich einen Job suchen.
Finnland: Erste Erfahrungsberichte
Über das Grundeinkommens-Experiment in Finnland haben wir bereits berichtet und eine Einschätzung dazu abgegeben. Unseren Artikel findet ihr hier. Erfahrungsberichte der Testpersonen werden aktuell international von unterschiedlichen Medien aufgegriffen.
Kenia: Grundeinkommen per SMS
In Kenia gibt es seit Anfang des Jahres Grundeinkommen per SMS. Das von GiveDirectly durchgeführte Grundeinkommens-Projekt besteht aus drei parallel laufenden Testreihen. In der ersten Version werden den Bewohner*innen von 40 Dörfern über zwölf Jahre 20 Euro pro Monat ausbezahlt. In der zweiten Version bekommen die Bewohner*innen von 80 Dörfern das Geld über zwei Jahre hinweg und in der dritten Testreihe erhalten die Bewohner*innen von 80 Dörfern das Geld zu Beginn in zwei Auszahlungen. So soll getestet werden, wie verantwortungsbewusst Menschen mit dem Geld unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen umgehen. Geben sie es auf einmal aus oder investieren sie mit größeren Anschaffungen in ihre Zukunft? Oder ist es besser, ihnen das Geld monatlich zur Verfügung zu stellen?
Bislang sind die Ergebnisse sehr positiv. Die Menschen der ersten Testreihe gründeten Sparvereine, was den Zusammenhalt in den Dörfern gestärkt hat. Eine Testperson der dritten Testreihe schaffte sich eine Wasserpumpe an, um ihre Felder besser bewässern zu können. Von der Existenzangst befreit, konnten die Menschen mittelfristig besser planen und ihren Kindern bessere Bildungsmöglichkeiten eröffnen. Insgesamt nehmen 26.000 Menschen an dem Experiment teil – was das Projekt zur bisher größten Grundeinkommens-Studie macht.
Abgeschlossene Projekte
Kanada: Grundeinkommen macht gesünder
Das sogenannte Mincome (minimum income) Experiment ist weltweit das bisher wohl bekannteste. Kanada war 1974 eines der ersten Länder, das ein Bedingungsloses Grundeinkommen auf regionaler Ebene - in der Stadt Dauphin - testete.
Die damals linksliberale Regierung zahlte etwa 1.000 Familien über einen Zeitraum von fünf Jahren ein Grundeinkommen abhängig von ihrem vorherigen Einkommen aus. Jeder verdiente Dollar ließ das Grundeinkommen um 50 Cent sinken. Aufgrund der kanadischen Sparpolitik im Zuge der Ölkrise wurde das Experiment leider 1979 eingestellt und geriet zunächst in Vergessenheit. 2009 stieß eine Professorin auf die Forschungsdaten in den Archiven, wertete die Ergebnisse aus und setzte sie dann in Verbindung mit Daten über die damalige Gesundheitsversorgung in Dauphin.
Es stellte sich heraus, dass sich die meisten Menschen durch das zusätzliche Geld sicherer fühlten, seltener krank wurden und weniger Arbeitsunfälle erlitten, wodurch die Kosten für das Gesundheitssystem erheblich sanken. Auch die Scheidungsrate sank und es wurde mehr konsumiert, wovon der Einzelhandel profitierte. Außerdem wurden mehr Schulabschlüsse absolviert. Inspiriert durch die aktuellen Experimente in den Niederlanden und in Finnland, ist aktuell ein weiteres Experiment in der Provinz Ontario geplant (siehe weiter unten im Text).
Namibia: Grundeinkommen gegen extreme materielle Armut
Von 2008 bis 2009 erhielt jede*r Bewohner*in des Dorfs Otjivero 100 Dollar (umgerechnet sechs Euro) pro Monat. Die einzige Bedingung war, dass die Person registriert sein musste und nicht zeitgleich eine Rente bezog. Das Projekt wurde größtenteils über Spendengelder finanziert und veränderte die Region stark. Fast alle Kinder gingen zur Schule, Arztbesuche konnten häufiger finanziert werden und die Menschen bauten sich stabilere Häuser. Leider wurde das Projekt aufgrund mangelnder Finanzierung nicht weitergeführt und viele Menschen fielen in Verhältnisse starker Armut zurück.
Geplante Projekte
Indien: Der radikale Versuch
Nach einer Ungültigkeitserklärung von fast 90 Prozent des sich in Umlauf befindenden Bargeldes, um Korruption zu bekämpfen, legte die indische Regierung einen Plan für ein Grundeinkommens-Experiment vor. Umgerechnet handelt es sich dabei um 106 Euro pro Jahr für jede*n. Das ist auch für indische Verhältnisse wenig, vor allem da auch Sozialleistungen und Subventionen zur Finanzierung des Projektes wegfallen sollen.
Kanada: Grundeinkommen plus Sozialleistungen
In der kanadischen Provinz Ontario steht das aktuell teuerste und vielversprechendste Experiment zum Grundeinkommen in den Startlöchern. Alleinerziehende Eltern und Elternpaare mit geringen Einkommen sollen ab diesem Sommer drei Jahre lang Grundeinkommen von bis zu 17.000 Dollar pro Jahr erhalten. Dabei erhalten Personen mit besonderer Bedürftigkeit wie schwereren körperlichen Krankheiten weiterhin Krankengeld und auch das Kindergeld bleibt bestehen. Gemäß dem Mincome-Experiment (siehe oben) steht das Grundeinkommen in Abhängigkeit zu den weiteren Einkünften der Teilnehmer*innen: Es reduziert sich stets um die Hälfte jedes zusätzlichen gewerblichen Einkommens.
Weitere Projekte
…auch in Kuba, Alaska, Mongolei, Iran, Uganda und Brasilien wurden oder werden Grundeinkommens-Experimente in unterschiedlichen Formen durchgeführt.