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Die Umsetzung des versprochenen Klimageldes lässt in Deutschland weiter auf sich warten. Die Schweiz, Österreich und Kanada haben dagegen bereits einen Mechanismus zur gerechteren Verteilung der Mehrkosten aus den steigenden CO₂-Abgaben eingeführt. Wir werfen einen Blick über den Tellerrand.
Die Klimakrise zu stoppen wird Geld kosten. Das haben die letzten Jahre ganz klar gezeigt. Damit wir weniger Treibhausgase ausstoßen, müssen Heizen, Autofahren, Fliegen teurer werden. Die Frage ist nur, wer dafür aufkommen soll.
Denn seit 2021 zahlen Unternehmen, die mit fossilen Brennstoffen handeln, Abgaben an den deutschen Staat – und geben diese Mehrkosten dann an die Verbraucher*innen weiter. Erhöhte Heizkosten teilen sich Mieter*innen und Vermieter*innen seit vergangenem Jahr immerhin.
Der Begriff "Klimagerechtigkeit" ist deshalb in den letzten Jahren aufgekommen, um daran zu erinnern, dass Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zusammengedacht werden müssen. Denn nur, wenn alle Menschen sich Klimaschutz leisten können, werden Maßnahmen zur Begrenzung der CO₂-Emissionen auch gesellschaftlich akzeptiert.
Hannah El-Hitami ist freie Journalistin aus Berlin. Sie schreibt über Gesellschaft und Politik, Migration und Völkerrecht. Ihre Artikel sind unter anderem erschienen bei SPIEGEL, TAZ, Fluter, im Greenpeace Magazin und dem Amnesty Journal.
An dieser Stelle setzt das an. Die Idee dahinter ist simpel: Mehreinnahmen durch CO₂-Abgaben landen nicht alleine beim Staat, sondern werden (je nach Modell: ganz oder teilweise) an die Bürger*innen zurückgegeben. Schließlich sind sie es, die die höheren Kosten der Industrie als Konsument*innen tragen. Das Klimageld soll die zusätzliche Belastung abfedern und zum CO₂-Sparen motivieren.
Die Umsetzung des im Ampel-Koalitionsvertrag von 2021 verankerten und von verschiedenen Expert*innen und Institutionen geforderten Klimageldes würde bedeuten, dass alle Bürger*innen einen festen Betrag, zum Beispiel 130 Euro pro Jahr, erhalten. Dieser könnte insbesondere Haushalte mit niedrigem Einkommen unterstützen, da die aufgrund ihres klimafreundlicheren Konsumverhaltens praktisch weniger CO₂-Abgaben bezahlen würden.
In Deutschland sollte das Konzept eigentlich längst Realität sein. Jedenfalls steht es seit fast drei Jahren im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung. Doch bürokratische Hürden, Streitigkeiten in der Koalition und politisches Kalkül im Finanzministerium stehen der Umsetzung im Weg.
Dabei könnte es so einfach sein: In Österreich, Kanada und der Schweiz gibt es das Klimageld teilweise seit Kurzem, teilweise bereits seit Jahren. Die drei Länder machen vor, wie es geht, und zeigen, auf welche Details es besonders ankommt.
Klimafreundliches Verhalten muss sich auch finanziell lohnen
"Lenkungsabgabe" heißen die Abgaben auf Treibhausgase in der Schweiz. Das Wort drückt ganz gut aus, worum es geht: CO₂-Sparen soll belohnt werden, dafür wird Geld umverteilt. "Lenkungsabgaben sind keine Steuern", betont FDP-Chef Thierry Burkart. Seit 2018 zahlen Schweizer Bürger*innen höhere Kosten für Heizöl, Kohle und Erdgas in der Gebäudeheizung. Andere Bereiche sind bisher nicht betroffen.
Doch es gibt Pläne, die Lenkungsabgabe ab 2030 auf alle Treibhausgasemissionen auf Schweizer Staatsgebiet zu erheben. Dann wird einiges teurer werden. Gleichzeitig bekommen aber alle Schweizer*innen jährlich einen Anteil dieser Kosten zurückerstattet – und zwar in Form einer Reduzierung der Krankenkassenbeiträge.
Zwei Drittel des Geldes, das der Staat durch die Lenkungsabgabe einnimmt, fließen so an die Bevölkerung zurück. Das sind in diesem Jahr etwa 64 Franken pro Person. Und auch Unternehmen, die sich verpflichten, ihren CO₂-Ausstoß zu reduzieren, erhalten Geld zurück. Das restliche Drittel investiert der Staat in die Energiewende.
Österreicher*innen bekommen dieses Jahr sogar schon zum dritten Mal einen sogenannten "Klimabonus" ausgezahlt. Er soll "klimafreundliches Verhalten fördern, sodass es sich finanziell lohnt", sagte Umweltministerin Leonore Gewessler und betonte die sozialgerechte Dimension des neuen Mechanismus, weil "Menschen mit geringem Einkommen im Schnitt auch einen geringeren CO₂-Ausstoß haben – und denen so noch einmal mehr von diesem Klimabonus übrig bleibt."
Die Auszahlung bleibt nicht ohne Komplikationen
Das Geld wird überwiesen, oder es kommt als Gutschein per Post – antragslos und vollkommen automatisch. Für Österreich, eines der am besten digitalisierten Länder der EU, ist das kein Problem. Die Meldedaten aller Bürger*innen sind dort zentral gespeichert und abrufbar – ganz anders als in Deutschland.
Hierzulande könnte die Einführung des Klimageldes noch Jahre dauern, weil Konto- und Steuernummern verknüpft werden müssen. Versprochen hat die Bundesregierung nun kürzlich, dass das Klimageld bis 2025 kommt. Ob das wirklich klappt, bleibt abzuwarten.
Denn es gibt noch mehr Probleme: Aktuell ist die IT-Struktur des Bundes nicht in der Lage, mehr als 100.000 Überweisungen am Tag zu tätigen. Allen Deutschen ihr Klimageld zu bezahlen, würde mehr als zwei Jahre dauern.
Soziale Gerechtigkeit zuerst!
Das Wetter wird extremer, die Ungleichheit auch – ist Klimagerechtigkeit die Lösung für beides?
Auch in Österreich blieb die Auszahlung nicht völlig ohne Komplikationen. Vor allem bei der Erfassung von Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft habe es wohl Lücken gegeben, stellte ein Expert*innenbericht im Dezember fest. Wie jeder Mensch, der mindestens sechs Monate seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat, haben auch sie Anspruch auf den Klimabonus.
Außerdem seien zu viele Gutscheine teuer per Post verschickt worden, wo auch Kontodaten vorgelegen hätten – die Beschwerde-Hotline war indes stark überlastet. Damit die Auszahlung an alle österreichischen Bürger*innen glatt läuft, wird die Regierung noch etwas nacharbeiten müssen. Doch immerhin erhielten 95 Prozent der Anspruchsberechtigten ihr Geld in der ersten Auszahlungsrunde 2022.
Haushalte bekommen mehr zurück, als sie für CO₂-Abgaben bezahlt haben
Auch in Kanada wird CO₂ immer teurer. Damit das Land seine Klimaziele erreicht, soll der Preis für eine Tonne CO₂-Ausstoß jährlich um 15 Dollar steigen, bis er 2030 bei 170 Dollar liegt. Die Kanadier*innen bekommen im Gegenzug vierteljährlich den "Canada Carbon Rebate" ("Kanada CO₂-Rabatt") ausbezahlt. Aktuell liegt er je nach Provinz und Haushaltsgröße zwischen 95 und 220 Dollar pro Person und Quartal, Familienmitglieder im selben Haushalt bekommen etwas weniger.
Tatsächlich zeigen Studien in Kanada bereits, dass 80 Prozent der Haushalte durch den Klima-Rabatt mehr Geld zurückbekommen, als sie durch die höheren Preise bezahlt haben. Einkommensschwache Haushalte profitieren dabei mehr als solche mit hohem Einkommen, die ja in der Regel mehr Geld für klimaschädliche Güter und Aktivitäten ausgeben.
Mehr Geld für Menschen auf dem Land
Wenn man diese drei Beispiele nebeneinander betrachtet, zeigen sich interessante Parallelen: Zum Beispiel gibt es sowohl in Kanada als auch in Österreich eine ortsgebundene Staffelung der Klimazahlungen.
In Kanada bekommen Menschen auf dem Land ganze 20 Prozent mehr ausgezahlt. In Österreich wird zudem die Verfügbarkeit von weiterführenden Schulen oder Krankenhäusern in der Umgebung berücksichtigt.
Denn klar, auf dem Land ist es deutlich schwieriger, ohne Auto auszukommen, als in der Großstadt. Bei einem umfassenden öffentlichen Verkehrsnetz in Städten wie Wien sollte es für die meisten Menschen hingegen ein Leichtes sein, auf den eigenen Wagen zu verzichten.
Österreicher*innen mit Behinderung erhalten übrigens unabhängig von ihrem Wohnort den vollen Klimabonus, wenn ihnen die Nutzung von Bus und Bahn nicht zugemutet werden kann.
Weshalb auch wir das Klimageld jetzt brauchen, liest du hier:
Eine weitere Parallele zwischen den Ländern gibt zu denken: Klimabonus, Lenkungsabgabe und Co. werden der Bevölkerung anscheinend oft schlecht kommuniziert. Dabei geht es bei solchen Ausgleichszahlungen ja auch und vor allem um die soziale Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen.
Das aber kann nur gelingen, wenn Bürger*innen verstehen, dass sie nicht einfach nur immer mehr bezahlen sollen, sondern auch etwas zurückbekommen – ja, vielleicht sogar "Gewinn" machen, wenn sie klimafreundlicher leben.
Die wiederum liegen natürlich nicht in erster Linie im finanziellen Vorteil von Einzelpersonen, sondern in der Aussicht auf eine Zukunft mit Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit. Den Weg hin zu dieser Zukunft für alle Bürger*innen attraktiv zu gestalten, wird dabei aber unverzichtbar sein.
Das Klimageld ist dabei ein wichtiger Schritt. Kanada, Österreich und die Schweiz haben gezeigt, dass die Einführung nicht nur möglich ist – sondern sogar gar nicht so kompliziert sein muss. Warum soll das in Deutschland also nicht auch klappen? Mit dem nötigen politischen Willen könnten wir bürokratische Hürden überwinden und unterwegs sogar noch ein wenig der vielbesungenen Digitalisierung erledigen.
Wenn sich Deutschland mit dem Klimageld schon so viel Zeit lässt, sollte es diese Verspätung zumindest nutzen, um von seinen Vorreiter*innen zu lernen: zum Beispiel, dass regionale Staffelungen sinnvoll sind und dass die Umverteilung der Bevölkerung klar – als etwas ebenso Notwendiges wie Positives – kommuniziert werden muss.
Was glaubst du? Ist in Deutschland auch möglich, was in der Schweiz, in Österreich und in Kanada bereits gang und gäbe ist? Erzähl es uns in den Kommentaren!
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