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Die Klimakrise ist eine Gerechtigkeitskrise! Während die einen vor allem dazu beitragen, müssen die anderen die Kosten tragen. Aber nur eine gerechtere Verteilung von Ressourcen und Verantwortung kann zu einer nachhaltigen Zukunft für alle führen.
"Wenn sich alle so verhalten würden, und alle so viel fliegen würden wie Sie…" Die ARD Panorama Dokumentation "Das Klima und die Reichen" begleitet Zeitschriftenverleger Julien Backhaus auf dem Weg von Wilhelmshaven nach Frankfurt – im Privatjet. Backhaus führt den Satz des Journalisten zu Ende: "... dann würde das Konzept nicht mehr funktionieren. Aber zum Glück gibt es ja immer eine Aufteilung in der Bevölkerung – und ich gehöre eben zu der kleinen (Gruppe), die sich das erlaubt."
Kontrastbeispiel: die Familie Klein in Niedersachsen, die mit ihrem Einkommen zur unteren Mittelschicht zählt. Hauptfortbewegungsmittel der Familie ist das Fahrrad, denn Autofahren ist teuer. Die Heizung ist ebenfalls heruntergedreht, denn Heizen ist – genau – auch teuer. Man könnte also sagen: Die Kleins haben gar nicht die nötigen finanziellen Mittel für einen sehr klimaschädlichen Lebenswandel.
Mit ihrem jährlichen CO₂-Ausstoß liegen sie dennoch über dem Budget von drei Tonnen pro Person und Jahr, das zum Erreichen der Klimaziele notwendig wäre. Weshalb? Ihr Haus ist alt, und für viele Menschen wie die Kleins bleiben energiesparende Maßnahmen wie Wärmedämmung ein unerschwinglicher Luxus. Ohne finanzielle Unterstützung können sie das Drei-Tonnen-Ziel also nicht erreichen – einfach nur, weil sie wohnen.
Klimaneutral bis 2045?Klimaschutz als Chance für eine gerechtere Zukunft
Der Weg zu einer klimaneutralen Gesellschaft wird deshalb oft (nicht ganz zu Unrecht) als schwerer Gang betrachtet. Vor allem für ärmere Teile der Bevölkerung: Themen wie der Kohleausstieg und die CO₂-Bepreisung weisen dabei auf einen möglichen Zielkonflikt hin, nämlich zwischen sozialen und klimapolitischen Anliegen. Dabei bietet eben dieser Weg eigentlich sogar die Möglichkeit, die sozioökonomischen Strukturen endlich zu reformieren.
Klimaschutz oder soziale Gerechtigkeit? Die Klimakrise ist eine Gerechtigkeitsfrage
Der Klimaschutz ist seit vielen Jahren in aller Munde – aber Klimagerechtigkeit? Was dürfen wir uns darunter vorstellen? Das Konzept der Klimagerechtigkeit betrachtet den Klimawandel sowie die Maßnahmen, die es braucht, um ihn aufzuhalten, durch die Linse sozialer Gerechtigkeit. Sie blickt nicht stur auf technische Lösungen zur Reduktion von Emissionen, sondern auf die ungleiche Verteilung der Lasten und Nutzen dieser globalen Krise.
Neben der sogenannten Generationengerechtigkeit lautet das wohl bekannteste Beispiel dafür: Die reichsten Nationen produzieren überproportional viel CO₂, wohingegen die ärmsten die Hauptlast der Klimafolgen tragen. Historisch haben Nordamerika und Europa fast die Hälfte der kumulierten globalen Emissionen verursacht – während besonders Länder mit niedrigem Einkommen stärker von extremen Wetterereignissen wie Überschwemmungen, Hitzewellen und Dürren betroffen sind. Fair? Eher nicht.
Tatsächlich lässt sich dieses sogenannte Verursacherprinzip aber ebenfalls auf Individuen übertragen. Denn das Konsumverhalten reicher Menschen ist häufig sehr energieintensiv, insbesondere durch Luxusgüter wie große Fahrzeuge und Flugreisen – Vielflieger Julien Backhaus weiß sicherlich, wovon die Rede ist.
Global betrachtetträgt die ärmere Hälfte der Erdenbewohner*innen nur zu etwa zehn Prozent aller Emissionen bei. Dagegen sind die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung für grob die Hälfte verantwortlich.
Im Vergleich zu den Einkommen ist die Beziehung zwischen und Emissionen empirisch zwar wenig erforscht (hauptsächlich aufgrund mangelhafter Verfügbarkeit von Daten) aber: Es darf guten Gewissens angenommen werden, dass vermögende Gruppen nicht selten politischen Widerstand gegen klimasoziale Transformationen leisten. Denn die Notwendigkeit, schnelle und tiefgreifende Veränderungen herbeizuführen, steht im Konflikt mit der Wahrung des Status quo, von dem diese Gruppen profitieren.
Die Klimakrise verstärkt dabei bestehende globale und lokale Ungleichheiten, indem sie diejenigen, die am wenigsten zu ihrer Entstehung beigetragen haben, überproportional hart trifft. Und das sogar auf gleich zwei Ebenen: Einerseits nämlich im Hinblick auf die tatsächlichen Folgen des Klimawandels – hier drängt sich sofort der Gedanke an Länder wie Bangladesch auf, wo steigende Meeresspiegel und Sturmfluten eine direkte Bedrohung für Millionen von Menschen darstellen. Das Land emittiert im globalen Vergleich nur einen Bruchteil der Treibhausgase, aber seine geografische Lage macht es besonders anfällig für Überschwemmungen und Sturmfluten.
Aber auch zuhause in Deutschland haben Menschen mit geringerem Einkommen oft weniger Möglichkeiten, sich gegen Risiken abzusichern (beispielsweise mithilfe von Versicherungen) und sind weniger mobil, um sich schnell in Sicherheit zu bringen oder nach einer Katastrophe umzuziehen.
Andererseits spielt hier aber auch die Verteilungswirkung von Klimapolitik auf Einkommen und Vermögen eine Rolle, auf individueller wie auf gesellschaftlicher Ebene. Ein Beispiel hierfür ist die Verteilungswirkung der CO₂-Preissteigerung. Ohne ausgleichende Gegenmaßnahmen wirkt die nämlich regressiv. Das heißt, ärmere Haushalte geben durchschnittlich einen größeren Teil ihres Einkommens für aus als reiche, die solche Kosten leichter stemmen können.
Zum 1. Januar 2024 stieg in Deutschland der CO₂-Preis von 30 Euro im Vorjahr auf 45 Euro pro Tonne an, bis 2027 soll der Preis jährlich steigen – und ab dann an einem europäischen Emissionshandel-Markt entstehen, was ihn (und damit auch Flugreisen, Autofahren, Müll und Heizen) Prognosen zufolge deutlich teurer machen wird.
Die Einnahmen fließen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF), einen staatlichen Fonds, der speziell dafür eingerichtet wurde, die Mittel zielgerichtet für Klimaschutzmaßnahmen einzusetzen – wie etwa die Elektromobilität oder den Ausbau erneuerbarer Energien.
Die politische Dimension: Klimaschutz mehrheitsfähig gestalten
Dieses Ungleichgewicht ist nicht nur eine ökologische, sondern eine tiefgreifende soziale Ungerechtigkeit, die eine besondere Verantwortung der Hauptverursacher*innen betont. Sie verstärkt die Notwendigkeit, Klimapolitik und soziale Gerechtigkeit miteinander zu verbinden. Denn: Effektiver Klimaschutz erfordert breite gesellschaftliche Unterstützung. Und die wird es nicht geben, wenn vor allem die unteren Einkommensschichten die Lasten tragen.
Die Integration von Klima- und Sozialpolitik kann also ein Zusammenspiel bewirken, das sowohl die ökologische Effektivität steigert als auch den sozialen Zusammenhalt und Wohlstand fördert. Das zeigte auch unlängst der Zusammenschluss von Fridays for Future und der Gewerkschaft Ver.di zum Klimastreik: Gemeinsam forderten sie dringend notwendige Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr, um eine klima- und sozialgerechte Verkehrswende zu ermöglichen.
Die soziale Notwendigkeit, in nachhaltige und klimagerechte Infrastruktur, Bildung und gezielte Förderprogramme zu investieren, erfordert innovative Ansätze und eine gerechte Verteilung der finanziellen Lasten. Denn die aktuelle Ausrichtung der Klimatransformation begünstigt indirekt diejenigen, die bereits über Ressourcen verfügen, während ärmeren Haushalten weniger Unterstützung zukommt.
Soziale Gerechtigkeit ist somit entscheidend, da sie überhaupt erst die Basis für breite Akzeptanz und effektive Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen bildet.
Ein beträchtlicher Anteil der Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen könnte durch Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung erzielt werden. Aber: Wie wir bereits wissen, belastet die CO₂-Steuer ärmere Haushalte überproportional – genau wie andere indirekte und Konsumsteuern (zum Beispiel auf den Verbrauch von Einwegplastik) oder der geplante Emissionshandel auf Sektoren wie den Wohn- und Transportbereich. Das verstärkt also die bestehende Ungleichheit zusätzlich.
Die Auszahlung des im Ampel-Koalitionsvertrag von 2021 verankerten und von verschiedenen Expert*innen und Institutionen geforderten Klimageldes könnte hier ausgleichend wirken. Alle Bürger*innen würden dann einen festen Betrag, zum Beispiel 130 Euro pro Jahr, erhalten, der insbesondere Haushalte mit niedrigem Einkommen unterstützt (denn die bezahlen aufgrund ihres klimafreundlicheren Konsumverhaltens weniger CO₂-Abgaben).
Ein versteckter Fallstrick findet sich ausgerechnet auch mit Blick auf zielgerichtetere Kompensationsmechanismen: Zuschüsse und steuerliche Anreize für die Sanierung von Gebäuden oder die Einführung nachhaltiger Technologien in der Industrie sind gut gemeint – allerdings tendieren solche Subventionen dazu, bereits wohlhabende Schichten zu begünstigen. Denn nur sie haben die , um überhaupt in Elektroautos, Sanierungen, solare Heiminstallationen und Co. zu investieren.
Grob die Hälfte der Deutschen verfügt über kein – oder kein nennenswertes – Vermögen und kann entsprechend keine größeren Investitionen tätigen. Förderprogramme müssen also speziell auf einkommensschwache Haushalte ausgerichtet, ein Teil der Mittel für soziale Ausgleichsmaßnahmen reserviert sein.
Soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit sind kein Widerspruch, sie bedingen einander
Wir wissen nun: Ungleichheit ist schlecht fürs Klima. Denn größere Einkommen und Vermögen sind oft mit einem erhöhten Konsum von Luxusgütern und -dienstleistungen verbunden, die reichlich energieintensiv sind. Eine gerechtere Verteilung des Wohlstands könnte den Konsum dieser Güter verringern und so zu einer Verminderung der CO₂-Emissionen führen.
Über die CO₂-Steuer können wir zusätzlich auch finanzielle Mittel für Investitionen in nachhaltige Technologien und Infrastruktur bereitstellen. Und: Klimapolitische Maßnahmen wirken mit mehr sozialer Gerechtigkeit viel effektiver. Denn welche Lenkungswirkung kann Klimapolitik überhaupt haben, wenn sich reiche Menschen einfach "freikaufen" können? Wenn sie also einfach draufzahlen, um ihr Verhalten nicht ändern zu müssen?
Und andersherum kann Klimaschutz – sofern er denn entsprechend gestaltet ist – soziale Ungleichheit sogar reduzieren. Die Diskussion um Klimagerechtigkeit zeigt, dass tiefgreifende soziale und ökonomische Reformen notwendig sind, um effektiven Klimaschutz zu gewährleisten.
Die soziale Frage muss zuerst beantwortet werden: Damit durch Klimaschutzmaßnahmen niemand überproportional belastet wird. Damit alle mitziehen. Und damit die angebliche "Sorge" um ärmere Bevölkerungsgruppen nicht mehr als Vorwand dafür vorgeschoben werden kann, um eine konsequente Klimapolitik herumzukommen.
Katrinfindet: Die Klimakrise ist eine Gerechtigkeitskrise.
Geringere Ungleichheit kann über stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt zu mehr Vertrauen in notwendige Transformationsprozesse führen. Und für ambitionierte Klimaschutzpolitik braucht es zwingend die breite Zustimmung der Gesellschaft.
Welche Rolle das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) dabei spielt und wie es die Akzeptanz für – und Umsetzung von – Klimaschutzmaßnahmen stärken kann, darüber sprechen wir in den kommenden Wochen mit dir.
Denn: Soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit sind kein Widerspruch, sie bedingen einander.
Grundeinkommen aus einer CO₂-Steuer? Das geht!
In unserem Rechner kannst du selbst der Staat sein, der ein Grundeinkommen für alle einführt. Ein Weg dahin führt über die CO₂-Steuer. Probiere es einfach mal aus!
Wir wollen deine Meinung hören! Erzähle uns unten in den Kommentaren, wie du die aktuelle Situation bewertest – und welche Lösungen du für sinnvoll hältst.
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