Vom 25. bis 27.09.2017 fand in Lissabon zum 17. Mal der jährliche Kongress des globalen Grundeinkommens-Netzwerks BIEN statt. Über 400 Wissenschaftler*innen, Aktivist*innen und Politiker*innen aus 35 Ländern und fünf Kontinenten nahmen teil, um sich zu vernetzen, unterschiedliche Fragestellungen zum Grundeinkommen zu diskutieren und Formen der Umsetzung vorzustellen. Auch Mein Grundeinkommen war dabei, um die Erfahrungen unseres Experiments weiterzugeben und neue Anregungen zu erhalten.
Insgesamt wurde vor allem eines deutlich: Grundeinkommen steht global für sehr unterschiedliche Formen und Ideen von monetären Transferleistungen. Einige, die gerade erprobt werden, wurden in Lissabon ausführlich vorgestellt. So gibt es, wie beispielsweise in Finnland, staatliche Maßnahmen in Form einer monatlichen Geldzahlung, die allerdings nicht existenzsichernd ist. Da zusätzliches Einkommen nicht angerechnet wird, ist mit einer kurzfristigen Verbesserung der Arbeitsmarktstatistik zu rechnen. Dem gegenüber stehen staatliche Experimente wie das kanadische, die nicht nur auf die Arbeitslosigkeit abzielen, sondern den Wohlfahrtsstaat insgesamt verbessern sollen. Wiederum andere Experimente wie beispielsweise GiveDirectly benutzen den Begriff Grundeinkommen für gut gemeinte Geldzahlungen aus Ländern des globalen Nordens an Länder des globalen Südens.
Expertinnen aus Kanada präsentieren Ontario-Experiment
Für uns war es besonders spannend, aus erster Hand Informationen über das aktuell in Kanada anlaufende Grundeinkommens-Experiment zu erhalten, da die dortige Studie nicht aus einer Reaktion auf die Notlage eines Arbeitsmarkts heraus entstanden ist und somit weitreichendere Ergebnisse verspricht als eine kurzfristige Senkung der Arbeitslosenzahlen. Das Experiment, über das wir hier bereits berichteten, wird vor allem durchgeführt, um die Zufriedenheit und Gesundheit der Menschen in Kanadas zweitgrößter Provinz Ontario zu verbessern, da die Menschen dort laut Studien trotz materiellen Wohlstands im dortigen Wirtschaftssystem starke Existenzängste und viel Stress empfinden.
Das Grundeinkommen, das vorerst in drei für Ontario repräsentativen Gemeinden ausgeschüttet werden soll und auf dem Umverteilungs-Prinzip der negativen Einkommenssteuer basiert, ist speziell auf Familien zugeschnitten und soll die soziale Gerechtigkeit stärken, indem es möglichst existenzsichernd ist und weitere Sozialleistungen wie Kindergeld und Krankenversicherungsleistungen nicht ausschließt. Momentan werden weiterhin Testpersonen ausgewählt, die ersten 400 Personen erhalten bereits im Oktober Grundeinkommen. Foren, in denen die Testpersonen ihre Erfahrungen teilen und das Experiment kontinuierlich ausgewertet werden kann, sollen den Feldversuch begleiten.
Neben den staatlich gesteuerten Projekten gab es auch viele so genannte Grassroots-Organisationen, die sich - ähnlich wie Mein Grundeinkommen - dem Grundeinkommen möglichst unabhängig von staatlicher Politik annähern. Als momentan erfolgreichste Initiative im europäischen Raum konnten wir insbesondere Projekten aus dem asiatischen Raum wie beispielsweise Südkorea und Japan Expertise vermitteln.
Wir empfehlen jeder*m, der*die sich tiefergehend mit dem Thema Grundeinkommen auseinandersetzen will, eine BIEN-Konferenz zu besuchen. Die nächste wird im August 2018 in Finnland stattfinden, Details werden hier veröffentlicht.