Mein, dein oder unser Grundeinkommen? Wie bringt man das Thema “bedingungsloses Grundeinkommen” auf den Weg und was sind dafür die richtigen Impulse und Denkanstöße? Darüber diskutierten Daniel Häni, Mitinitiator der Schweizer Volksinitiative “Für ein bedingungsloses Grundeinkommen”, und Michael Bohmeyer, Gründer von Mein Grundeinkommen, in einem Interview.
Lest hier das komplette Interview:
Maheba: In einem Interview hast du, Daniel, Mein Grundeinkommen zuletzt als “den falschen Schritt in die richtige Richtung” bezeichnet. Warum?
Daniel: Um auf die größere Dimension der Idee hinzuweisen.
Maheba: Und warum ist es ein “falscher Schritt”?
Daniel: Ich meine das nicht absolut. Es ist eine Redewendung. “Falscher Schritt” meint den einseitigen Selbstbezug: Mein Grundeinkommen. Dass Jeder ein Grundeinkommen möchte, ist nicht schwer. Schwer ist, darauf zu verzichten, den anderen Bedingungen für ihr Grundeinkommen zu stellen.
Maheba: Du meinst also, dass es schwer ist, anderen das Grundeinkommen zu gönnen und nicht nur sich selbst?
Daniel: Ja, dort sitzt der größte Widerstand. Wir sind es nicht gewohnt, Geld ohne Bestimmung zu geben. Wir wollen eine Gegenleistung. Wenn wir Geld bezahlen, ist es doch logisch, dass wir damit bestimmen wollen.
Maheba: Würdest du dem zustimmen, Micha?
Micha: Ich stimme Daniel in der Analyse zu, aber gerade deswegen halte ich Mein Grundeinkommen für den richtigen Schritt. Ich glaube, man muss selbst Grundeinkommen auf dem Konto haben, um die eigenen, tiefliegenden Existenzängste zu überwinden. Erst dann, wenn ich selbst abgesichert bin, muss ich die anderen nicht mehr als Konkurrent_innen fürchten und kann ihnen ein Grundeinkommen gönnen. Ich glaube, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt. Wenn sich also etwas bewegen soll, brauchen Menschen die 1.000 Euro auf ihrem Konto.
Daniel: Das ist die Einseitigkeit, die ich meine. Ich sehe zwischen Sein und Bewusstsein eine gegenseitige Wechselwirkung. Meiner Meinung nach sollte sich Mein Grundeinkommen erweitern.
Maheba: Daniel, was stellst du dir konkret unter einer Erweiterung von Mein Grundeinkommen vor?
Daniel: Ich will erst einen weiteren kritischen Punkt beschreiben: «Mein Grundeinkommen» ist jeweils ein zusätzliches Einkommen. Das ist ein Problem. Das Grundeinkommen kann kein zusätzliches Einkommen sein, sonst ist es nicht finanzierbar. Es ist ein grundsätzliches Einkommen. Es ersetzt das bestehende Einkommen und macht den existenzsichernden Sockel jedes Einkommen bedingungslos. Es geht um die Bedingungslosigkeit, nicht um mehr Geld.
Wenn wir aber das Grundeinkommen als zusätzliches Einkommen erhalten und erleben - wie ein Lotteriegewinn - dann bringen wir die Leute auf die falsche Fährte.
Da setzt der Vorschlag zur Erweiterung an, den ich mal mit Micha ausführlich besprochen habe. Wir hatten die Idee, dass die Aufmerksamkeit darauf gehen soll, welche Einkommen durch die 1.000 Euro «Mein Grundeinkommen» ersetzt werden können und wollen beschreiben, was daraus die weiteren Folgen sein können. Der Arbeitstitel heißt: “Bedingungslos Wäscherei” (BW). Ich sage ein Beispiel: Würde ein Hartz-IV-Empfänger durch das Grundeinkommen in die Lage kommen bei der Arbeitsagentur auszusteigen, wären dort rund 1.000 Euro weniger Kosten. Dieses Geld könnte an die “BW” transferiert werden, welche sie der Person als bedingungsloses Grundeinkommen auszahlen kann.
Micha: Ja, die Gespräche mit Daniel dazu sind sehr inspirierend. Wir planen gerade ein größeres, dauerhaftes Grundeinkommens-Pilotprojekt für die Zukunft, bei dem auch Geld zurück in die auszahlende Stelle fließen wird. Aber Schritt für Schritt.
Maheba: Der Nächste Schritt bei «Mein Grundeinkommen» ist nun die Tandem-Verlosung - es werden zwei Grundeinkommen an zwei Menschen verlost, die sich kennen. Was willst du damit bezwecken, Micha?
Micha: Ich und unsere 15 Gewinnenden haben festgestellt, dass man mit Grundeinkommen ein ziemlicher Sonderling ist. Man kann eigentlich mit niemandem so richtig darüber reden wie es sich anfühlt, es zu bekommen. Außerdem ist man durch den Sonderstatus stark unter Beobachtung. Manche fühlen sich dadurch gehemmt. Wir vermuten, dass Grundeinkommen vor allem dann das Potential von Menschen zum Vorschein bringt, wenn es alle haben und sich dadurch gegenseitig beflügeln können. Dem wollen wir jetzt mit der Tandem-Verlosung einen Schritt näher kommen. Wir hoffen, dass das Tandempaar sich über das Jahr mit Grundeinkommen austauscht, sich gegenseitig reflektiert und inspiriert, damit wir noch besser erahnen können, wie die Welt mit Grundeinkommen aussehen könnte.
Maheba: Was hältst du von der Tandem-Idee, Daniel?
Daniel: Genau, der Austausch ist wichtig, daran bildet sich Bewusstsein, dass wiederum das Sein beflügeln kann. Interessant wäre es, wenn die Tandem-Paare sich gegenseitig portraitieren würden. Sozusagen als Berichte aus der Bedingungslosigkeit.
Micha: Das werden wir probieren!
Maheba: Vielen Dank für das Gespräch!
Daniel Häni ist Unternehmer, Mitbegründer des Basler Kultur- und Kaffeehauses “unternehmen mitte” sowie Mitinitiator der Schweizer Volksinitiative “Für ein bedingungsloses Grundeinkommen”. Sie wurde 2013 erfolgreich eingereicht und löste ein weltweites Medienecho aus. Im Herbst 2016 steht die Entscheidung an. Sein Buch “Was fehlt, wenn alles da ist? Warum das bedingungslose Grundeinkommen die richtigen Fragen stellt” erschien 2015 im orell füssli Verlag.
Michael Bohmeyer ist Jungunternehmer, Vater und Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens. 2014 gründete er “Mein Grundeinkommen”. Der Verein sammelt per Crowdfunding Geld für bedingungslose Grundeinkommen. Immer wenn 12.000 Euro zusammen sind, werden sie an eine Person ausgelost. Auf diese Weise konnten bereits 15 Menschen Grundeinkommen beziehen. Die nächsten vier Grundeinkommen werden am 25.Oktober 2015 an zwei Tandempaare verlost.