Gewinnerin Anja
“Geld sollte nie der Grund sein, sich etwas nicht zu trauen”
Das Grundeinkommen macht Anja Mut, in einer Lebensphase des Umbruchs stark zu bleiben. Jetzt arbeitet sie mit Frauen, die häusliche Gewalt erfahren haben – und fragt sich, ob ein Grundeinkommen auch ihnen helfen könnte.
Anjas Foto
511

Ich habe das 511. Grundeinkommen gewonnen!

Ich erhielt von März 2020 bis Februar 2021 ein Utopisches Grundeinkommen.

Auf dem Weg nach Stralsund verschwindet die Landschaft im Nebel, ein diesiger Tag. Anja steht am Meer und lässt ihren Blick mit den Möwen ziehen.

Die Liebe zum Meer hat sie hierher gebracht. Auch der Wunsch nach einer neuen beruflichen Herausforderung. Und die Liebe zu ihrem Freund.

Es war ein gewagter Schritt, aus Thüringen an die Ostsee umzusiedeln. Anjas zwei Kinder sollten sich im neuen Wohnort wohlfühlen und eine neue Arbeitsstelle musste gefunden werden. Auch das Lohnniveau ist hier deutlich geringer. Kurz nach ihrem Umzug gewinnt Anja Grundeinkommen. Es kommt ihr wie eine Belohnung für ihren Mut vor.

Ich hab mit mir gehadert, ob ich überhaupt Fuß fasse

Anjas erster Job lässt sie fast an ihrer Entscheidung zweifeln. Genau wie ihr damaliger Arbeitsplatz in Thüringen, ist er nicht zufriedenstellend. Ein paar Mal ist sie kurz davor zu sagen: “Wäre ich bloß nicht hierher gekommen!” Das Grundeinkommen ist ihr in diesen Momenten ein Sicherheitsanker.

Anja, auf Bank sitzend

Dann eröffnet sich eine Arbeitsstelle für Anja, der sie sich mit Leidenschaft widmet: Über die Interventionsstelle und die Beratungsstelle BeLa begleitet sie nun Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Anja lernt, dass etwa jede vierte Frau mindestens einmal in ihrem Leben häusliche Gewalt erfährt.

Während Corona gibt es einen Anstieg der Fälle von 25 Prozent

Gerade im Lockdown verschärfe sich die Situation, berichtet Anja. Betroffene kommen gar nicht mehr raus, manche nehmen schließlich allen Mut zusammen und kontaktieren Beratungsstellen: “Ein bis zwei Monate nach der ersten Coronawelle hatten wir unheimlich viele Meldungen”.

Etliche Gespräche mit betroffenen Frauen zeigen Anja, dass es häusliche Gewalt in allen Bildungsschichten gibt. Tendenziell sei die Gewalt bei Akademikern häufig subtiler. Statt dem Schlag ins Gesicht oder einem sichtbaren Würgemal erfahren diese Frauen eher Drohungen: ‘Ich mach dein Leben kaputt! Ich nehm dir deine sozialen Kontakte!’

Das braucht Auffangstrukturen – und Geld ist eine Auffangstruktur

Finanzielle Abhängigkeit spiele dabei eigentlich immer eine Rolle, beobachtet Anja. Bei ganz vielen der Betroffenen, die sie begleitet, herrscht die Angst vor Geldnot: “Ich hab’ vielleicht jahrelang zurückgesteckt, Kinder betreut und nur in Teilzeit gearbeitet. Und da reicht das Geld eben nicht.” Häufig gehe es auch um die Sorge von fehlendem Unterhalt. Kinder sind immer ein großes Druckmittel, auch finanziell.

Anja, vor Meer stehend

“Wie viel einfacher wäre es, wenn die Betroffenen wüssten, sie hätten eine finanzielle Basis?”, fragt sich Anja. Sie hat selbst erleben dürfen, wie viel Sicherheit das Grundeinkommen in einer Phase der Unsicherheit geben konnte. Sie ist überzeugt: Mit einem Grundeinkommen würden viele Frauen schneller den Absprung schaffen können.

Die traumatischen Erfahrungen wären trotzdem da, natürlich. Vielleicht würde ein Grundeinkommen auch erstmal in Suchtmittel zum Betäuben des Schmerzes fließen. Alkohol sei da der Klassiker, weiß Anja. Auch mit Grundeinkommen bräuchte es unbedingt professionelle Begleitung. Anja würde also auch in einer Grundeinkommensgesellschaft weiter arbeiten.

Anja und Möwen

Sie ist von den Geschichten, die sie täglich hört, berührt. Dennoch bleibt sie in Gesprächen mit Betroffenen die starke und stabile Säule. Sie versucht, nicht zu viel ihrer Arbeit nach Hause zu nehmen – will aber auch präsent sein, um helfen zu können. Und so passiert es, dass sie auch an einem Samstagabend ans Telefon geht und Hilfe in akuten Krisenzeiten leistet, “obwohl ich gerade mit meiner Tochter puzzle”.

Wie sehr wünscht sich Anja, dass die Frauen, die sie begleitet, so unbeschwert sein können, wie sie es selbst durch die Grundeinkommenssicherheit erleben konnte. Und wie sie und ihre Kinder es auch hier an der Ostsee empfinden: Sandburgen lassen sich eben besser am Strand bauen und die Meeresluft lässt dazu ihre Allergien verschwinden. Auch neuen Schulsport gibt es hier, Rudern ist jetzt voll angesagt.

Anja und ihre Familie lieben es, mit ihrem kleinen Segelboot “Hermine” rauszufahren, die Weite zu spüren und trotzdem festen Boden unter den Füßen zu haben. Dieses Glück wünscht sich Anja auch für andere. Auch an wolkenverhangenen Tagen wie heute.

Text: Malina Günzel | Fotos: Fabian Melber

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Mit Grundeinkommen würde ich…

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