Wir fassen für euch die vorläufigen wissenschaftlichen Ergebnisse des Grundeinkommens-Experiments in Finnland zusammen. Deutlich wird: Die Ergebnisse decken sich mit unseren Erfahrungen. Die Teilnehmer*innen sind weniger gestresst, gesünder und zuversichtlicher.
Zwei Jahre lang erhielten 2.000 zufällig ausgewählte Erwerbslose in Finnland ein von der Regierung finanziertes Grundeinkommen. Hier haben wir darüber berichtet. Nachdem das Experiment nun im Dezember 2018 endete, haben die Wissenschaftler*innen jetzt die ersten Ergebnisse veröffentlicht. Sie konzentrierten sich bei der Auswertung auf zwei wichtige Themen: Die Auswirkungen des Grundeinkommens auf die Beschäftigung und auf das Wohlergehen der Teilnehmer*innen in ihrem ersten Bezugsjahr.
Keine negative Auswirkung auf Beschäftigung
Zur Wirkung auf die Beschäftigung fassen sie zusammen, dass die Bezieher*innen des Grundeinkommens im Vergleich zur Kontrollgruppe knapp einen halben Tag mehr gearbeitet haben. Insgesamt bezogen die Teilnehmer*innen zu einem Prozent mehr ein Einkommen aus selbstständiger Arbeit als die Kontrollgruppe, allerdings im Schnitt zu einer geringeren Bezahlung.
Während einige enttäuscht sind, dass sich auf den ersten Blick keine auffälligen Auswirkungen des Grundeinkommens auf den Arbeitsmarkt erkennen lassen, betrachten wir diese Ergebnisse dafür besonders aufmerksam.
Für die finnische Regierung ist es spannend herauszufinden, ob Erwerbslose mit einem Grundeinkommen auch Niedriglohnarbeiten annehmen würden. Viele sehen das als eine Win-win-Situation, weil einerseits die geringbezahlten Arbeitsstellen besetzt und andererseits die Bezieher*innen zum Grundeinkommen dazu verdienen würden. Kritiker*innen bezeichneten das Experiment deshalb auch als Subventionierung des Niedriglohnsektors.
Dazu muss man wissen, dass das getestete Grundeinkommen von 560€ im Monat ist in Finnland kein Betrag ist, von dem es sich Leben lässt; ein zusätzlicher Job wäre bei einem solchen partiellen Grundeinkommen ohnehin vonnöten. Außerdem lenkt es möglicherweise vom eigentlichen Problem ab: Dem Mangel an Arbeit für qualifizierte Arbeitskräfte. Davon berichtete uns Juha Järvinen, Teilnehmer des finnischen Grundeinkommens-Experiments. Das Grundeinkommen sollte nicht benutzt werden, um Probleme in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu überspielen. Die Ergebnisse zeigen deshalb schlicht, dass, wo keine Jobs sind, keine Stellen angenommen werden können.
Weiterhin haben die Teilnehmer*innen mit Grundeinkommen genauso gut und genauso schlecht eine neue Arbeit gefunden wie die Kontrollgruppe. Die Annahme vieler Gegner*innen, dass ein Grundeinkommen Menschen faul machen würde, ist somit auch von wissenschaftlicher Seite widerlegt.
Grundeinkommen macht selbstbewusster und zuversichtlicher
Erwerbslosigkeit bedeutet nicht nur Abwesenheit einer Beschäftigung, sondern oftmals einen Einschnitt in Selbstbewusstsein und Handlungsfähigkeit. Plötzlich über ein Grundeinkommen zu verfügen, ändert an diesen Einschnitten zunächsteinmal wenig. Vertrauen in sich selbst, in Politik und Gesellschaft muss häufig erst wieder hergestellt werden, bevor die Betroffenen sich in eine neue Arbeit stürzen können.
Aus den Erfahrungen unserer Gewinner*innen wissen wir, dass sich mit dem Grundeinkommen vor allem auch ein Streben nach Sinnhaftigkeit einstellt, das sie in Anspruch nimmt. Sie stellen sich die Frage, was sie in ihrem Leben wirklich erreichen wollen.
Die Ergebnisse des finnischen Experiments belegen, dass die Bezieher*innen des Grundeinkommens sich gesünder und weniger gestresst fühlen. Sie konnten sich mit Grundeinkommen besser konzentrieren und waren zuversichtlicher bezüglich ihrer Zukunft und ihrer Kompetenz, bei Gesellschaftsfragen mitzuwirken. Außerdem gab ihnen das Grundeinkommen den Mut, Jobangebote anzunehmen. Juha hat sich mit seinem Grundeinkommen sogar als Trommelbauer selbstständig gemacht:
“Die größte Veränderung findet in meinem Kopf statt, in meinen Gedanken: Endlich kann ich frei entscheiden, was ich mit meinem Leben anfangen will."
Wie geht es jetzt weiter?
Natürlich warten wir erst einmal gespannt auf die Auswertungen des zweiten Experiment-Jahres.
Die finnische Regierung wird sich aber wohl erst einmal nicht auf die gesamtgesellschaftliche Einführung eines Grundeinkommens einlassen. Es ist realistischer, dass sie das System, mit dem sie ihre Bürger*innen momentan finanziell absichert, in Zukunft wesentlich vereinfacht. Die Wissenschaftler*innen des Grundeinkommens-Experiment fragten bereits den bürokratischen Aufwand ab, den die Testpersonen in ihrem Bezugszeitraum aufbringen mussten. Ähnlich wie in Deutschland, können Finn*innen z.B. Wohn- und Kindergeld beantragen. Denkbar wären Pauschalbeträge für bestimmte Personengruppen ohne die derzeit sehr komplexe Bedarfsprüfung. Sind das Ideen, die sich in Zukunft auch für Reformen unseres Sozialstaates eignen? Wir bleiben dran.
Warum wir uns über die Ergebnisse freuen
Auch wenn die Wissenschaftler*innen bisher nur das erste Jahr des Experiments ausgewertet haben, freuen wir uns über die Ergebnisse und darüber, dass die Ergebnisse nah an den Erfahrungen unserer Gewinner*innen liegen.
Alles in allem konnten keine negative Auswirkung auf die Beschäftigung nachgewiesen werden. Die Annahme vieler Gegner*innen, dass ein Grundeinkommen Menschen faul machen würde, ist von wissenschaftlicher Seite widerlegt. Menschen mit Grundeinkommen sind zuversichtlicher, selbstbewusster und erleben, dass sie ein mündiger Teil einer Gesellschaft sind.