Viel wurde in den letzten Tagen über die Solo-Selbstständigen gesprochen, die in der Coronakrise um ihre Existenz bangen. Wir sprechen lieber mit ihnen als über sie. Drei persönliche Selbstporträts von akuten Sorgen, von Hoffnung und dem Grundeinkommensgefühl.
Johanna, Susanne und Mike haben bei uns jeweils ein Grundeinkommen für ein Jahr gewonnen. Wir haben die Geigerin, die Goldschmiedin und den DJ gefragt, wie es ihnen geht. Ihre Namen haben wir teilweise geändert.* Ihre Geschichten sind Realität. Für sie und auch hunderttausende andere Menschen in der Coronakrise.
"Keine Arbeit, kein Geld"
Johanna, Geigerin aus Nordrhein-Westfalen
Es war ausgerechnet am Freitag, den 13., als meine ersten Aufträge abgesagt wurden. Als freischaffende Geigerin habe ich eigentlich über Ostern Hochsaison: die Matthäus-Passion, Johannes-Passion – das ist jetzt komplett gestrichen.
Wenn man so will, lebe ich auch so schon von der Hand in den Mund. Durch Corona fallen mir bis Mai 4.000 Euro Honorare weg. Mein Grundeinkommen, das auch schon bald vorbei ist, ist für mich eine Existenzsicherung.
Die Coronakrise kann einem, ehrlich gesagt, das Gruseln lehren. Die meisten der Ensembles sind selbstverwaltet, auch das, mit dem ich meistens spiele. Die leben jetzt von ihren Reserven, wie ich auch. Aber wie lange können die sich noch halten? Was passiert mit der Kulturlandschaft, von der wir bisher gut leben konnten? Das begreife ich schon als ziemlich existenzielle Situation. Ab und zu kann ich mich gegen diese Gedanken nicht wehren.
An sich versuche ich aber guter Dinge zu sein. Wir wohnen auf dem Land und haben einen Garten, den wir jetzt in Ordnung bringen. Unser Nachbar fährt hier mit dem Trecker rum und auf der anderen Seite wohnt ein älteres Ehepaar, mit denen wir über den Zaun schnacken, das ist ja noch möglich.
Mein Freund und ich musizieren zusammen: Jazz und Blues, er mit der Trompete und ich mit der Barock-Geige. Das haben wir vorher nie gemacht. Im Geiste sind wir bei allen Kolleg*innen, die jetzt grade von den Balkonen spielen.
Mein Grundeinkommmen ist für mich eine Verstärkung des Grundsicherungsgefühls. Ein Zuwachs an innerer Sicherheit. Ein "Überleben-Können". Es ist eine seelische Entspannung. Ich bin der Meinung, dass es dringend ein Grundeinkommen für alle braucht. Ohne Wenn und Aber. Um den Menschen die Existenzangst zu nehmen, besonders jetzt gerade.
Allen Crowdhörnchen möchte ich sagen: Wenn irgend möglich, bitte bleibt dran. Eure Spende ist ein großartiger Akt der Solidarität, der schon so viel Gutes bewirkt hat.
"Eine Kettenreaktion"
Susanne, Goldschmiedemeisterin aus Nordrhein-Westfalen
Ich habe viele treue Kund*innen, die seit Jahren immer wieder zu mir kommen. Man muss immer den direkten Kontakt haben, um ein Schmuckstück zu entwickeln, weil das eine Typsache ist. Ich finde heraus, was gefragt ist, lade die Leute zu mir ins Atelier ein, zeige ihnen Dinge, schlage ihnen Sachen vor.
Aber es geht natürlich auch ums Anprobieren. In der nächsten Zeit wären da noch so einige Termine gewesen. Die habe ich abgesagt, in gegenseitigem Einvernehmen, weil wir das vernünftig finden. Das bedeutet aber auch, dass Aufträge auf unbekannte Zeit verschoben werden. Auch mein Steinhändler macht jetzt erstmal zu, weil er keine Aufträge reinbekommt.
Eine Kettenreaktion, wie in anderen Berufen wahrscheinlich auch.
Schmuck ist auf eine Art ein Luxusartikel, das muss man sich leisten können. Gerade in solchen Zeiten, in denen die Welt aus den Fugen gerät, ist es immer so, dass das wahnsinnig tolle Material Gold zum Spekulationsobjekt wird und damit auch wahnsinnig teuer. Für mich ist es einfach ein genialer Werkstoff, nicht mehr und nicht weniger.
Ich bin wild entschlossen, jetzt nicht wieder Zeit und Energie in irgendeinen Minijob zu stecken, sondern mit meinem Schmuck weiterzumachen. Ich hoffe, dass das funktioniert. Ich bin in vielen Situationen eher ein ängstlicher Mensch, aber jetzt denk ich grade: "Komm, das kriegst du schon irgendwie hin."
Unter anderem auch deswegen, weil ich Grundeinkommen habe. Ich glaube, dass das Grundeinkommen dazu führt, dass man eher den Blick nach außen wendet. Durch dieses Gefühl der Sicherheit, die sich ergibt. Dass nicht jeder vor sich hinbröselt und die Einzelkämpferin geben muss. Die Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn alle ein bisschen aufeinander achten.
Jetzt grade ist nochmal deutlich geworden, wie wichtig das Grundeinkommen für mich ist. Weil ich gelernt habe: Es reicht nicht, gesund zu bleiben, um Geld zu verdienen. Es ist eine Situation, die von außen kommt, die ich nicht beeinflussen kann. Mit dem Grundeinkommen kann ich meine Tochter unterstützen, die im Moment nicht arbeiten kann. Und ich habe den Kopf frei, um kreativ zu sein.
Das Grundeinkommen gibt mir eine gewisse Lockerheit, nicht im Sinne von "Hach, ich bin jetzt hier die Tolle und hau’ das Geld raus". Überhaupt nicht. Sondern ich glaube, dass man dann eher seine guten Seiten leben kann. Dass man die geistige, emotionale Freiheit hat, wirksam zu sein. Für andere und für sich selbst.
Ich würde mir Grundeinkommen für jede*n wünschen, weil es beflügelt.
"Die Fixkosten laufen ja weiter"
Mike, DJ aus Schleswig-Holstein
Ich bin hauptberuflich DJ, und das seit 30 Jahren. Früher war ich in Tanzlokalen und in Diskotheken unterwegs. Heute mache ich hauptsächlich Familienfeiern, Firmenevents, Firmenjubiläen, so was. An Musik leg’ ich im Prinzip alles auf, was die Leute hören wollen. Zusätzlich betreibe ich noch einen Onlinehandel für Eventzubehör. Ich verleihe technische Sachen, Dekoration, Stoffe und was man eben für eine Veranstaltung braucht.
Die Coronakrise zwingt mich nun, zu Hause zu bleiben. Ich bin jetzt quasi ohne Beschäftigung. Der Onlinehandel wird ja auch nicht besser, wenn keine Veranstaltungen stattfinden. Meine Frau ist in einem Kindergarten beschäftigt und jetzt teilweise beurlaubt. Mein dreijähriger Sohn, der noch in den Kindergarten geht, ist auch zu Hause.
Wir versuchen uns eine gewisse Regelmäßigkeit aufzubauen, den Tagesablauf neu zu strukturieren, damit man nicht in Lethargie verfällt.
Es dürfen keine Veranstaltungen stattfinden, also gibt es keine Gagen. Und das zum Saisonstart, wo die Winterreserven fast aufgebraucht sind. Also wenn wir das Grundeinkommen nicht hätten, würden wir jetzt nicht über die Runden kommen. Die Fixkosten laufen ja weiter.
Das Grundeinkommen löst ein Gefühl der Erleichterung aus. Wir sind jetzt ein Jahr sozial abgesichert. Egal, was passiert, es ist immer genug Geld da, um Rechnungen bezahlen zu können.
Meine Selbstständigkeit war vor dem Grundeinkommen ein gewagtes Spiel – man kann sich ja in dieser Gesellschaftsform, in diesem Land, als Selbstständiger nicht wirklich vernünftig absichern.
Man kann jetzt null sagen, was in der Veranstaltungsbranche passieren wird. Wenn ich an den 11. September denke, da sind zum Beispiel alle Weihnachtsfeiern abgesagt worden. Das hat fast sechs Jahre gedauert, bis es wieder Weihnachtsfeiern gab.
Klar muss ich mir Gedanken machen, wie’s weitergeht. Langfristig umorientieren. Mit Grundeinkommen kann ich das Ganze ruhiger angehen. Gerade in dieser Situation jetzt hoffe ich, dass immer mehr Menschen das Grundeinkommen bekommen. Ich bedanke mich ganz doll bei den Crowdhörnchen, dass sie das so möglich machen. Selber bin ich jetzt natürlich auch Crowdhörnchen.
*Johanna und Susanne heißen eigentlich anders. Die Gründe für ihren Wunsch, anonym zu bleiben, sind verschieden. Nicht alle drei haben ihrem ganzen Umfeld vom Grundeinkommens-Gewinn erzählt, niemand von ihnen möchte bei anderen Betroffenen mit diesem Privileg auffallen. Wir danken ihnen, dass sie uns trotzdem in ihr Leben gelassen haben.
Aufgezeichnet von Christina Strohm und Malina Günzel
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