Keine offene Diskussion über Klimagerechtigkeit kommt an den Ideen der Wachstumskritik vorbei. Einer ihrer führenden Köpfe, der Ökonom Niko Paech, beantwortet uns in drei Fragen, was er von CO₂-Steuer, Klimageld und Grundeinkommen hält. Soviel vorweg: Wer das Grundeinkommen für alle befürwortet, wird spätestens über die dritte Antwort intensiv diskutieren wollen...
1. Herr Paech, was haben Sie gegen "grünes" Wirtschaftswachstum?
Niko Paech: Gegen "grünes" Wachstum wäre nichts einzuwenden, wenn es denn existieren würde. Ein ökologisch unschädliches Wachstum ist aber nicht einmal theoretisch im Einklang mit physikalischen Gesetzen darstellbar, sondern entspricht reinem Wunschdenken. Wenn dennoch an dieser Quadratur des Kreises festgehalten wird, wie derzeit im Zuge der sogenannten "Energiewende", kann es gefährlich werden.
Erstens wird "grünes" Wachstum zum doppelten Alibi: Die notwendigen Umsteuerungen – die natürlich unbequem sind, da sie auf Umgewöhnung und Einschränkung beruhen – lassen sich mit Verweis auf eine demnächst verfügbare technologische Problemlösung für unnötig erklären. Und wenn die herbeifantasierten, aber unerreichbaren Fortschritte nicht eintreten, wird obendrein dieses Nichteintreten für die aktuellen Krisen verantwortlich gemacht.
Zweitens löst eine mit der Brechstange verfolgte "grüne" Wachstumsstrategie neue Wellen der ökologischen Verwüstung aus, weil die umwelttechnischen Innovationen immer nur darauf beruhen, einen bestimmten Schaden zu verlagern – in eine andere räumliche, stoffliche oder physische Dimension. Im worst case wird der ursprünglich anvisierte Schaden nicht einmal gemildert, wohl aber eine Palette neuer Schäden verursacht.
Wer spricht hier?
Der Volkswirtschaftler Prof. Dr. Niko Paech forscht und lehrt an der Universität Siegen u.a. zu Postwachstums-Ökonomik, Klimaschutz und nachhaltigem Konsum. Sein Buch "Befreiung vom Überfluss" gilt vielen als Grundlagenwerk der Wachstumskritik. Gleichzeitig ist vor allem sein Fokus auf "Suffizienz", also die materielle Genügsamkeit auch des einzelnen Menschen, durchaus umstritten und wird immer wieder auch von der neuen Rechten vereinnahmt. Wir geben Niko Paech in unserem Schwerpunkt Klimagerechtigkeit trotz – oder gerade wegen – seiner fundamentalen Grundeinkommenskritik bewusst das Wort, weil wir keine einseitigen Debatten mögen.
2. Sie streiten seit vielen Jahren für eine , die für Sie der einzige Weg zu wirksamem Klimaschutz und mehr Zufriedenheit unserer Gesellschaft ist. Könnten höhere Steuern auf CO₂-Ausstoß von Unternehmen und ein Klimageld für alle Bürger*innen ähnliche Effekte haben?
Niko Paech: Diese circa 100 Jahre alte Idee stand und steht immer unter dem Vorbehalt, den Wohlstand nicht anzutasten, sondern die Nachfrage auf Substitute zu lenken, die nachhaltig und zugleich genauso attraktiv sind. Da diese Alternativen nicht existieren, steht die Politik vor drei Optionen:
Erstens: Sie kann einen ansetzen, der so gering ist, dass er von den Wählern akzeptiert wird, aber gerade deshalb keine Umwelt-, sondern nur eine Gewissensentlastung bewirkt, was sogar zur Zunahme von Emissionen führen kann.
Zweitens: Es wird ein CO₂-Preis angepeilt, der hoch genug ist, um signifikante Reduktionen der Emissionen auszulösen, aber eine soziale Spaltung verursacht, weil sich Einkommensstarke weiterhin die ruinösen Praktiken leisten können, während die mehrheitlich Einkommensschwachen eine Senkung ihres Wohlstands hinnehmen. Das würde keine demokratische Entscheidungsinstanz riskieren, geschweige denn durchhalten.
Oder drittens: Es wird ein wirksamer, also hoher CO₂-Preis eingeführt, aber die Steuereinnahmen werden als rückverteilt. In diesem Fall können sich sowohl Einkommensstarke, als auch Einkommensschwache weiterhin alle bisherigen Praktiken leisten. Und der gemäß mikroökonomischer Idealvorstellungen erhoffte Substitutionseffekt bleibt ein frommer Wunsch – zumal gleichwertige Ersatzpraktiken, auf die sich dieser Effekt beziehen könnte, ausgerechnet dort fehlen, wo die verheerendsten Praktiken zu Buche schlagen.
3. Was denken Sie, wie würde ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) in existenzsichernder Höhe für alle Menschen auf den Klimaschutz, unseren Konsum und unsere Zufriedenheit wirken?
Niko Paech: Wer von staatlicher Alimentierung abhängig ist, wird weder ein hohes Selbstwertgefühl noch Freiheitsgefühl entwickeln können, sondern kann nur inständig hoffen, dass die nächste Regierung das BGE nicht wieder abschafft. Denn in Demokratien existieren grundsätzlich keine politischen Einbahnstraßen.
Das Recht auf ein leistungsloses Einkommen zu proklamieren – und zwar selbst dann, wenn keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit vorliegt –, markiert den vorläufigen Gipfelpunkt moderner Sozialutopien, die jeden Bezug zu den materiellen Grundlagen der menschlichen Existenz verloren haben.
In einer physisch begrenzten Welt lassen sich keine physischen Güter aus dem Nichts schöpfen, um sie dann zu verteilen. Somit wird die Produktion der Güter, die sich jemand für ein BGE leisten kann, entweder auf dem Rücken der Ökosphäre ausgetragen, etwa wenn Maschinen die Arbeit verrichten, oder sie muss von Menschen in den Schwellenländern unter unschönen Bedingungen – also alles andere als "bedingungslos" – verrichtet werden.
Was denkst du? Teilst du Niko Paechs rigorose Ablehnung von CO₂-Steuer, Klimageld und Bedingungslosem Grundeinkommen? Wenn nicht: Was hältst du ihm entgegen? Schreib es uns in die Kommentare!
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