Was tun, wenn man seinen Beruf wegen starker Schmerzen nicht mehr ausüben kann? Den meisten Menschen fehlt die finanzielle Sicherheit für einen Neustart. Nina aus Niedersachsen fand einen Weg: Dank ihrem Grundeinkommen hilft die 21-Jährige heute traumatisierten Jugendlichen – aber nicht allein, sondern mit tierischer Unterstützung...
Wenn es Nina* schlecht geht, spürt Samy das sofort und weicht nicht von ihrer Seite. Samy ist elf Jahre alt und ein weiß-schwarzer Ziegenbock. Schon früher hat er Nina durch einige schwere Zeiten gebracht. Da war sie Jugendliche, musste Mobbing erfahren, hatte wenig Selbstvertrauen und verkroch sich nach der Schule im Ziegenstall. Viele Stunden saß sie dort, in eine Wolldecke gewickelt. Samy legte seinen Kopf auf ihren Schoß und hörte zu.
Als wir Nina in der niedersächsischen Kleinstadt Seesen am Harzrand besuchen, gibt es keine Spur von Melancholie. Nina erzählt uns beschwingt und gleichzeitig völlig entspannt von den Veränderungen in ihrem Leben. Veränderungen, die nur durch das Grundeinkommen möglich sind.
Mit 16 beginnt Nina eine Ausbildung als Physiotherapeutin. Drei Jahre später ist sie fertig, zieht aus und hat ihre erste Stelle. Schnell merkt sie, dass sich die ständige Belastung ihrer Arme nicht mit der angeborenen Fehlstellung ihres Schultergelenks verträgt. Die Folge sind drei Schulteroperationen. Nina erinnert sich: "Ich habe immer wieder gemerkt, dass ich körperlich an Grenzen gerate, jeden Tag teilweise mit Schmerzen die Arbeit beenden musste."
Im Dezember 2023 gewinnt Nina ein Realistisches Grundeinkommen – eine finanzielle Absicherung für die nächsten drei Jahre. Im ersten Moment ist ihr die Tragweite noch nicht bewusst, dann realisiert sie immer mehr: "Es eröffnet mir neue Möglichkeiten. Das fühlt sich nach neuen Chancen und Hoffnungen an."
Einen Monat nachdem sie das erste Grundeinkommen erhält, reicht Nina die Kündigung ein. "Ich bin niemand, der sich ständig krank melden möchte", erklärt sie. In der Arbeit als Physiotherapeutin sieht sie keine Zukunft für sich.
Das Grundeinkommen bringt Nina durch einen Monat Arbeitslosigkeit – und ihre Träume zurück: Sie möchte Tiere in ihre Arbeit einbinden. Nina will die heilsame Wirkung, die sie als Heranwachsende durch Samy und die anderen Tiere ihrer Eltern erlebt hat, weitergeben. "An andere Leute, denen es vielleicht gerade nicht so gut geht", sagt sie.
Nina nimmt ein Jobangebot bei einer Jugendhilfe in Seesen an. Den dafür nötigen Umzug kann sie sich nur durch ihr Grundeinkommen leisten. Sie wohnt jetzt wieder in der Nähe ihrer Eltern und ist regelmäßig bei ihnen zu Besuch. Und damit auch bei Samy und den zwei Minischweinchen, Hühnern und Katzen. Auch wir dürfen dieses Kleinod, etwa 30 Kilometer von Seesen entfernt, bei unserem Besuch kennenlernen. Nur Katze Molly mag sich an diesem Tag nicht zeigen.
Mit ihren Klient*innen aus der Jugendhilfe geht Nina oft ins Tierheim zu den Katzen. Die Kinder fassen schnell Vertrauen – sie fühlen sich von den Katzen verstanden, dann sind sie in ihrer Not nicht so allein. Eins der Kinder hat ein Elternteil verloren, im Tierheim kann es mit verwaisten Kätzchen kuscheln.
Der Verlust von nahestehenden Menschen, Gewalterfahrungen und einschneidende Krisen – fast alle Menschen, die Nina betreut, haben traumatische Erfahrungen gemacht. Schon in ihrer Arbeit als Physiotherapeutin bemerkte Nina, dass bei manchen Menschen mit körperlichen Schmerzen auch psychische dahinterstecken: "Auf körperlicher Ebene konnte ich oft gar nicht so weit kommen, den Leuten wirklich zu helfen."
"Das Grundeinkommen fühlt sich wie eine Sicherheitsleine an", sagt Nina, "ich weiß, ich kann jederzeit die laufenden Kosten decken." Mit dieser Sicherheit im Hinterkopf entscheidet sich Nina für einen kostenintensiven und erweiterten Bildungsweg: Eine traumapädagogische Fortbildung, eine Ausbildung in tiergestützter Intervention und ein Studium, das sie als Fundament dafür braucht.
Ohne das Grundeinkommen hätte sich Nina die Veränderungen in ihrem Leben nicht leisten können: "In meiner Generation ist das Finanzielle ein großes Thema", das bekommt Nina auch bei ihren Freund*innen mit. Sie sieht, wie viele junge Erwachsene immer weiter auseinanderdriften: "Die einen haben Zeit und Geld, um an Zukunft und Entwicklung zu denken. Die anderen kämpfen mit dem Alltag und kommen aus dem Dilemma, dass man zu wenig Geld hat, nie raus."
Nina erzählt uns: "Geld war schon immer ein großer Stressfaktor für mich." Ihr Freundeskreis bemerkt, dass sie seit ihrem Gewinn viel ausgeglichener wirkt und auch Nina sagt: "Das Grundeinkommen hat mich mental und mein Glück einfach krass beeinflusst."
* Nina heißt eigentlich anders. Aus Rücksicht auf ihre Privatsphäre nennen wir sie in diesem Text Nina. Ihre Geschichte und ihre Zitate haben wir nicht verändert.